„Deutschland ist weltweit Spitzenreiter“
Kariesprophylaxe bei Kindern erfolgreich - Gute Mundhygiene Voraussetzung
Karies ist und bleibt ein Thema. Standardmäßig wird das Loch im Zahn ausgebohrt und mit einer Füllung versehen. Doch genau genommen ist es mit der Reparatur des Zahns nicht getan, denn Karies ist ein Anzeichen dafür, dass der orale Biofilm aus der Balance geraten ist. Die Ärztliche Direktorin der Poliklinik für Zahnerhaltung Tübingen, Professor Diana Wolff, erläutert im Interview mit Barbara Waldvogel den Stand der Kariesforschung.
Die frühzeitige Bekämpfung der Karies ist wichtig. Wie sieht die Situation bei Kindern in Deutschland aus?
Die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie 2016 war sehr erfreulich: Bei den 12-Jährigen wurden im Durchschnitt nur 0,5 DMF (Decayed-MissingFilled – zerstörte, fehlende oder gefüllte Zähne) gezählt. Das bedeutet, jedes Kind hatte im Schnitt nur einen halben betroffenen Zahn. Bei der Ersten Mundgesundheitsstudie 1989 waren es noch fünf Zähne pro
ANZEIGEN Kind. Mit den neuesten Ergebnissen steht Deutschland an der Weltspitze. Trotzdem muss man immer aufmerksam sein. Krankmachende Keime für Karies oder Parodontitis können zum Beispiel schon im frühen Kindesalter von den Eltern auf das Kind übertragen werden. Haben die Eltern eine schlechte Mundhygiene, hat das Kind ein erhöhtes Risiko für diese Erkrankung. Werden Eltern entsprechend aufgeklärt, ist es für sie eventuell ein Anlass, dem Kind zuliebe zum Zahnarzt zu gehen und die Zähne sanieren zu lassen.
Gelegentlich wird kritisiert, der Fluoridgehalt der Kinderzahncreme sei zu niedrig. Teilen Sie diese Meinung?
Fluorid ist ein wesentlicher Bestandteil zur Vorbeugung von Karies. Es gibt mannigfaltig Daten, die zeigen, dass Fluorid in der Zahncreme zu einer deutlichen Reduzierung der Karies führt. Je höher der Gehalt an Fluorid ist, umso besser ist auch die Wirkung. In Deutschland wurde jahrelang darüber gestritten, ob fluoridierte Kinderzahncreme verwendet werden soll. Die Kinderärzte sehen in der Kinderzahncreme eher ein kosmetisches Produkt, das nicht dafür geeignet ist, verschluckt zu werden. Da bei Zwei- oder Dreijährigen aber nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie dieses nicht tun, plädieren Pädiater dafür, dass erst ab fünf Jahren mit Zahncreme geputzt werden soll. Vorher sollten Kinder lieber Fluoridtabletten lutschen. Wir Zahnärzte sind der Meinung, dass nach dem Durchbruch des ersten Milchzahns dieser Zahn mit Kinderzahncreme einmal am Tag geputzt werden soll, um das Kind an diese Routine zu gewöhnen. Wenn man damit erst bei Fünfjährigen anfängt, bezweifle ich, dass das noch zur Routine wird. Es ist natürlich darauf zu achten, dass man bei den ganz Kleinen nur eine geringe Menge an Zahncreme verwendet.
In Ihren Forschungen steht der Biofilm im Mundraum im Mittelpunkt. Wenn dieser aus dem Gleichgewicht gerät, geht es an die Zahnsubstanz. Können Sie das erläutern?
Ein gesunder Biofilm zeichnet sich durch eine gute Mischung verschiedener Bakterien aus. Da sind immer auch ein paar schädliche Bakterien dabei. Aber die Guten halten die Bösen in Schach. Wenn die Mundhygiene nicht ausreichend ist, wächst die Plaque und der Zahnbelagfilm wird immer dicker. Im Inneren können die kariespathogenen Keime immer mehr Säure produzieren, töten dadurch die anderen Bakterien ab und gewinnen einen Selektionsvorteil. Dann kippt das Gleichgewicht, der Zahnbelag wird muffelig und dort, wo er auf dem Zahn sitzt, entsteht dann das Loch.
Wie steht es um eine Impfung gegen Streptococcus mutans, der als Übeltäter in der Mundhöhle gilt?
Von der Methode her ist es möglich, dass man impft. Dadurch werden durch das Immunsystem Antikörper gegen Streptococcus mutans gebildet. Diese werden dann wiederum über Speichel und Serum zurück in die Mundhöhle transportiert und können aktiv werden. Allerdings wirken diese Antikörper nicht gut gegen Streptococcus mutans, der schon im Biofilm etabliert ist. Wo sie eventuell gute Erfolge verzeichnen könnten, wäre bei Kleinkindern. Wenn also geimpft würde, dann müsste das im frühen Kindesalter geschehen. Es gibt aber bislang nur Tierversuche.