Alarm in München – Ruhe in Berlin
Horst Seehofer will den Kurs ändern, Angela Merkel weitermachen wie bisher
BERLIN - Katerstimmung in Berlin und München, doch während die CSU Konsequenzen ziehen will, gibt sich CDU-Chefin Angela Merkel in Berlin weitgehend ungerührt. Ihr Tenor: Sicher, man hätte sich ein besseres Ergebnis bei der Bundestagswahl gewünscht, aber das strategische Ziel sei erreicht, die Union könne weiter die Regierung anführen.
Eine nüchterne Analyse des Wahlergebnisses habe man vorgenommen, so Merkel in der Pressekonferenz nach der CDU-Vorstandsund Präsidiumssitzung, aber in die Tiefe wolle man erst bei einer Klausurtagung nach der niedersächsischen Landtagswahl am 15. Oktober gehen. Jetzt würden sich erst einmal alle einbringen, „um auch diese Wahl gut zu gestalten“.
Gut? Das wird in München komplett anders gesehen. Schon am frühen Morgen hagelt es Ansagen aus dem Süden: CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer geht in Vorlage gegenüber der Schwesterpartei: „Wir müssen eine Kursorientierung innerhalb der Union machen.“Was das heißt, ist auch klar: „Die rechte Flanke schließen.“Dazu gehöre auch ein harter Kurs in der inneren Sicherheit. Und ganz klar die Obergrenze für Flüchtlinge.
Klöckner widerspricht
Die CSU hat in der CDU einige Verbündete. Wie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, der schon am Wahlabend meinte: „Rechts von uns darf es keine demokratische Alternative geben.“Deshalb habe man jetzt Hausaufgaben zu machen. Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner sieht das anders. „Wir brauchen keinen Ruck nach rechts“, sagte sie schon am frühen Morgen. Erfolgreich bei Landtagswahlen sei man schließlich im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen gewesen, überall, wo man „die stabile Mittelpolitik“von Angela Merkel verteidigt habe.
CSU-Chef Horst Seehofer sieht das anders. Er hat im Jahr 2018 Landtagswahlen zu bestreiten, die CSUSchlappe ist für ihn ein schlechtes Vorzeichen. „Wir halten ein ,Weiter so‘ nicht für möglich. Wir sagen den Wählerinnen und Wählern ,Wir haben verstanden‘, sagte Seehofer.
Konkreter und schneller
Verstanden hat er, dass ein zentrales Anliegen der Menschen die Probleme bei der Zuwanderung seien. Aber auch die Spaltung des Landes in Hinsicht auf die soziale Situation, auf Rente, Pflege, Mieten und Wohnungsbau und Familien. Man müsse „konkreter und schneller werden“, so Seehofer, „bei den realen sozialen Problemen“.
Es sei die Verantwortung jedes Demokraten, diese Spaltung zu überwinden. „Ich nehme nicht an, dass tiefere Koalitionsverhandlungen vor der Niedersachsen-Wahl gemacht werden“, so der CSU-Chef. Aber anschließend sei die BayernWahl, er hoffe, dass dann die bayerischen Interessen berücksichtigt werden.
Bayerisches Interesse, das heißt für Seehofer, eine Standort-Debatte zu führen. „Und die Obergrenze bleibt natürlich.“Das werde er der Kanzlerin auch mitteilen. Bei bundesweiten Einbrüchen müsse man handeln.
„Man muss das Ausrufezeichen der Wähler sehen“, meint CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Auch der bayerische Spitzenkandidat und Innenminister Joachim Herrmann betont die Differenzen zu Merkel. Man käme „schon in Probleme“, so Herrmann, wenn die Kanzlerin auf ihrer Pressekonferenz beim Thema Flüchtlinge sage, sie würde es noch einmal so machen wie 2015.
Dass nun aber eine Obergrenze für Flüchtlinge und ein Rechtsruck in einem Jamaika-Bündnis mit den Grünen nur schwerlich zu machen ist, das schwant auch der CSU. Deshalb äußert deren Generalsekretär auch gleich eine Ermahnung an die SPD. Die habe in der „ersten Dramatik“des Wahlabends zwar so reagiert, dass sie in die Opposition wolle. Aber auch für die SPD gelte doch wohl, dass erst das Volk komme und dann die Partei.
Kompromisse gefragt
Auch die Kanzlerin will nicht nur mit der FDP und den Grünen, sondern auch mit der SPD verhandeln. Sie holte sich jedoch postwendend eine Abfuhr von SPD-Parteichef Martin Schulz. CDU-Vize Thomas Strobl mahnt unterdessen, das Wichtigste sei doch jetzt Stabilität. Was ein mögliches Jamaika-Bündnis angehe, so Strobl, sei es nicht trivial, vier Parteien zusammenzubringen. Das heiße aber nicht, dass er Jamaika nicht für möglich halte. In einer schwierigen Lage für Deutschland und die Union seien Kompromisse und Verantwortung gefragt.
Das sieht auch Seehofer so. Doch der CSU-Chef will ganz vorsichtig vorgehen. Erst einmal sei eine Kursdebatte der beiden Schwestern nötig, dann will er sich im November dem CSU-Parteitag zur Wiederwahl stellen, dann könne es Sondierungsverhandlungen geben, aber am Schluss müsse wohl auch ein CSUParteitag noch zustimmen. Das hört sich nach einem langen Prozess an.