„Mauerläufer“fliegt erneut am Kunsthimmel
Regionale Autoren stellen neue Ausgabe der Literaturzeitschrift in Stadtbücherei vor
WANGEN (tst) - Vier Autoren aus der Region begrüßte die Leiterin der Kornhausbücherei, Susanne Singer, am Donnerstagabend zur Vorstellung des neuen „Mauerläufers“. „Der Mauerläufer ist ein literarisches Jahresheft für die Region Allgäu, Bodensee, Oberschwaben, Ostschweiz und Vorarlberg“, so Singer, „und nun liegt die frischgeschlüpfte vierte Ausgabe vor. Sie verbindet Kunst und Poesie und macht Lust, bei den Texten und Bildern zu verweilen.“
Tatsächlich, neben den Texten von 58 Autoren findet man beim Stöbern in dem Buch künstlerische Fotos, Bilder, Collagen, unorthodox, spannend oder berührend zusammengestellt. Die Autoren Hanspeter Wieland aus Überlingen, Fritz Reutemann aus Lindau, Hajo Fickus aus Wangen und Hippe Habasch aus Opfenbach gingen an diesem Abend auf das Podest, um eigene Texte vorzutragen. Annemarie Müllenberg umrahmte die Literatur musikalisch auf dem Cello.
Habasch, selbst in der Gruppe der sechs Herausgeber vertreten, führte in die Lesung ein: „Den Mauerläufer haben wir Mauerläufer genannt, weil da eine gewisse Seelenverwandtschaft besteht.“Wie der Vogel seien auch Schriftsteller und Künstler seltene Vögel, brüteten in großen Höhen, kennen die schwierige Nahrungssuche, blieben eigensinnig und hüpften lieber als zu laufen. „Heute Abend treten vier Autoren an, die gemeinsam haben, dass sie Alt-68er sind“, fügte sie hinzu, da bleibe es nicht aus, dass eine politische Dimension auftauche.
Liebevoll beschrieb Wieland in seiner Hommage an den Lindauer Dichter Reutemann: „Fritz ist an Tätigkeiten reich, er ist aber trotzdem ein armer Poet, er ist ein politischer Poet, das erklärt es auch“, heißt es da. Seit 1969 schreibe er fast täglich ein Gedicht. Wortschöpfungen, Verballhornungen, Wortspielereien. Und ungereimt. Seit 1969, darauf legt der Poet wert, niemals gereimt. „Jetzt, wo wir selbst die Alten sind und eigentlich nichts mehr zu melden haben, wollen wir weiter beharrlich bleiben?“, fragte Wieland in seinem Text.
Ja ist die klare Antwort. Denn im Anschluss gab Reutemann selbst Kostproben aus seinem dichterischen Werk. Der amerikanische Präsident wird darin zum „partiell kalkuliert dementen obertrumpeltier“und die „politlobbyisten laufen amok für den großen zaster“. Treu bleibt er sich, kritisch und wortgewandt wie kaum ein Zweiter. Auch Fickus las aus einem Text, der nach den USWahlen entstand: „wir schauen endlich mal wieder von unseren suppentellern und unseren smartphones hoch.“Und weiter: „werden wir vielleicht die alten Knochen noch mal auf eine Demo schleppen oder schulterzuckend weiter trocknen rotwein trinken.“
Hippe Habasch nahm die TrumpWahl ganz anders auf die Schippe. In ihrem Text ‚bewegung 9. november‘ stahlen sechs Menschen eine Fahne aus dem dörflichen Rathaus, flaggten Halbmast und sangen die Internationale. Es tat gut an diesem Abend, dass sie noch da sind, die Alt-68er, auch wenn sie sich selbst schon „alte Knaben, die mal wild aussahen“oder gar „Zombies“nennen.