Der Feind im eigenen Team
Piqué hat viel Unruhe in die spanische Mannschaft gebracht – Im Kader soll es rumoren
MADRID (SID/dpa) - Gerard Piqué ist es gewohnt, auch bei heftigem Gegenwind seinen Mann zu stehen. Über die Jahre hat der 1,93 Meter große Abwehrhüne mit seiner lässigen Spielweise, vor allem aber mit politischen Äußerungen den Zorn der spanischen Fans auf sich gezogen. Am heutigen Freitag (20.45 Uhr) dürften die Anfeindungen aber über das normale Maß hinaus gehen. Auf den stolzen Katalanen wartet im WM-Qualifikationsspiel in Alicante gegen Albanien ein Spießrutenlauf. Man geht davon aus, dass die Fans Piqué bei jeder Aktion ausbuhen werden.
Einen Vorgeschmack bekam der Profi des FC Barcelona beim öffentlichen Training am Montag, als Tausende Fans der „Furia Roja“den angeblichen Unterstützer des Unabhängigkeitsreferendums Kataloniens verbal massiv attackierten. „Piqué cabron, Espana es tu nacion“, skandierten die Anhänger. „Piqué, Arschloch, deine Nation ist Spanien.“Trainer Julen Lopetegui brach die Einheit daraufhin ab.
Piqué scheint die enormen Spannungen auf sich zu vereinen. Nachdem der 30-Jährige unter Tränen die Polizeigewalt rund um das Referendum kritisiert und seine Solidarität mit dem katalanischen Volk ausgedrückt hat, ist der in Barcelona geborene Fußballprofi ein Held für die Unabhängigkeitskämpfer – und ein Feindbild für die Spanier. Dabei hat sich Piqué öffentlich bislang gar nicht für eine Abspaltung ausgesprochen. „Wir Fußballer sind globale Figuren“, sagt er, „wir können uns nicht auf eine Seite schlagen.“Deshalb komme ein Rücktritt aus der spanischen Nationalmannschaft für ihn auch nicht infrage: „Seit fast zehn Jahren spiele ich für Spanien, ich werde jetzt nicht durch die Hintertür verschwinden. [...] Die Selección ist meine Familie.“
Er sei „stolz, für Spanien spielen zu dürfen“, fügte der Mann hinzu, der seit 2009 für „La Roja“spielt und mit Spanien 2010 Welt- und 2012 Europameister wurde. Er habe eine Nachricht an alle Fans, sagte Barças Abwehrchef auf einer eigens anberaumten Pressekonferenz: „Zweifelt nicht meine Hingabe an! Ich bin sehr stolz, hier zu sein.“
Es ist jedoch zu befürchten, dass Piqué – sollte er nicht zum Selbstschutz auf der Bank Platz nehmen – im Spiel gegen Albanien zum Opfer einer spanischen Gewohnheit wird: regionale Konflikte auf den Fußball zu übertragen. Piqué selbst hat bei dem Spiel in der Vergangenheit gerne mitgemacht, doch in der momentan aufgeheizten Atmosphäre schlägt der Ehemann der Popsängerin Shakira versöhnliche Töne an: „Die einzige Lösung ist der Dialog. Oder es wird immer schlimmer.“
Interessant wird sein, ob das Nationalteam im Spiel gegen Albanien ein Zeichen des Zusammenhalts setzt oder der Fall Piqué – oder, wie ihn ein TV-Kommentator nannte, der „Feind in den eigenen Reihen“– zur Zerreißprobe für das Team wird. Wie werden sich zum Beispiel die Profis von Real Madrid um Rädelsführer Sergio Ramos verhalten? Orfeo Suárez, Kolumnist der gut informierten Zeitung „El Mundo“, schrieb am Donnerstag, einige Nationalspieler unter anderem von Barcelonas Erzrivale Real Madrid seien dieser Tage im Trainingslager „auf Distanz, auch physischer“zu Piqué gegangen. Real-Profi Nacho sagte dem Sportblatt „Marca“: „Ich fühle mich als Spanier, sehr spanisch. Damit sage ich alles.“
Piqués Clubkollege Sergio Busquets ist daher pessimistisch. Sehr pessimistisch. „Seit ich in der Nationalelf bin, ist es der schwierigste Augenblick“, sagte er im Trainingsgelände in Las Rozas. Und fügte hinzu: „Ich glaube nicht, dass sich eine Lösung für den Piqué-Fall wird finden lassen können.“
So oder so, die Zukunft der Nationalmannschaft dürfte ungewiss sein, sollte die Situation nach einer möglichen Unabhängigkeitserklärung der katalonischen Regionalregierung eskalieren.