„Menschen brauchen Plätze der Erinnerung“
Wangen feiert Erneuerung des Alten Gottesackers – Einmalige Anlage mit Denkmalcharakter kann fortbestehen
WANGEN - Nach drei Jahren der Sanierung und Restaurierung steht der Alte Gottesacker prächtiger denn je da. Für 1,4 Millionen Euro wurde Grabhäusern, Holztafelgemälden und Monumenten wie der Friedhofmauer mit den Holztoren zu neuem Leben verholfen, die zugewachsenen Kieswege und die Pflasterpfade freigelegt, die Zahl der Sitzbänke ergänzt. Möglich wurde das alles durch die Unterstützung von Land, Bund und Vereinen.
„Es ist nicht selbstverständlich, dass sich eine Stadt einer solcher Aufgabe stellt“, rief Michael Lang am Samstagvormittag den Gästen der Feierstunde zu. Wie der Oberbürgermeister davon sprach, dass anderenorts vergleichbare Anlagen umgewandelt und einer neuen Nutzung zugeführt würden, während man in Wangen „zu seiner Anlage und der damit verbundenen Geschichte steht“. Und Lang mahnte, die Friedhofskultur nicht verloren gehen zu lassen, „weil Menschen einen Platz zum Trauern und zum Erinnern brauchen“.
Der Oberbürgermeister dankte allen, „die hier gearbeitet und die zur Finanzierung beigetragen haben“. Wobei er für die technische Seite namentlich Architekt Karl Herter und Koordinator Jörg Weh erwähnte, für den Bereich „Fördergelder“den verstorbenen Abgeordneten Andreas Schockenhoff ins Gedächtnis rief, der sich beim Bund für Gelder aus einem Sonderprogramm stark gemacht hätte. Wie Lang nicht vergaß, dem „Heiligenverein“der Kreissparkasse seine Referenz zu erweisen. Insgesamt hätte rund die Hälfte der Kosten durch Zuschüsse gedeckt werden können, sagte Michael Lang.
Architekt Karl Herter verwies auf den „besonderen Denkmalcharakter“, der einmal durch die Einmaligkeit der Gesamtanlage gegeben sei, zum anderen durch die „Bildprogramme“in den Galeriegewölben und den Grabstätten bedeutender Familienverbände und großer Persönlichkeiten. Diese seien von „ungemein hohem historischem Wert“. Und Herter folgerte: „Ein Umstand, der den Erhalt der Friedhofanlage nachdrücklich unterstreicht.“
In drei Jahren, so Herter weiter, habe man unter anderem 41 Grabhäuser, 22 Holztafelgemälde, 57 Monumente aus Naturstein und 26 aus Metall „umfassend und denkmalgerecht restauriert und konserviert“. Und der Architekt wünschte stellvertretend für die Planer und Handwerker, „dass Besucher den Alten Gottesacker als einen Ort der Stille, Besinnung und Begegnung wertschätzen“.
Für alle Gäste ebenso interessant wie spannend war das, was Stadtarchivar Rainer Jensch zu berichten wusste. Sein geschichtlicher Exkurs umfasste die Zeit von vor 1200 Jahren, als 815 das Niederdorf mit dem bis 1412 bestehenden Maierhof entstanden war und damit die „Urzelle des alten Wangens“bildete. Die Zeitreise ging zu dem in den Pestjahren 1520/21 angelegten Friedhof vor dem Martinstor, die Ende des 16. Jahrhundert hinzugekommene Rochuskapelle, die 1596 zu Ehren „Unser Lieben Frauen“geweiht wurde.
Erwähnung fanden ebenso der Bau des Seelhauses als „bedeutende Sozialeinrichtung“, für die die Kaufmannsfamilie Hinderofen den Grundstock für eine „ewige Seelhaus-Stiftung“legte, die Auflösung
41 Grabhäuser, 22 Holztafelgemälde, 57 Monumente aus Naturstein und 26 aus Metall. Zahlen, die unter anderem die Sanierung dokumentieren
des Friedhofs 1913 und die Eröffnung des Stadtparks 1953. Dies nachdem wenige Jahre zuvor alle Grabmale abgeräumt worden waren und als Befestigung der Argen dienten. Darüber hinaus erinnerte der Stadtarchivar an das 1960 errichtete Denkmal für die Gefallenen beider Weltkriege.
„Nach den vorangegangen Renovierungsarbeiten in 1980er-Jahren ist die für die Zukunft bereitete Anlage nun schöner geworden als je zuvor“, freute sich Rainer Jensch und nannte die hier vollbrachte Leistung „einen Traum“. Und er nahm die Gäste mit zu den Arkadengängen und erläuterte hier und da, an welche ehemaligen Patrizierfamilien die Epitaphien erinnern.
Natürlich erklärte Stadtarchivar Jensch auch die Bedeutung der zum Teil stark verwitterten Darstellungen und war überzeugt davon, dass sich die besten Maler der Stadt damit gleichwohl ein Denkmal setzen wollten. „Gott gebe ihnen eine fröhliche Auferstehung“– so die am meisten in Abbild und Schrift demonstrierte Aussage.