Warten ist unverantwortlich
Noch einmal ein kräftiges Plus für die 21 Millionen Rentner, und erstmals seit drei Jahren leicht sinkende Beiträge für die Einzahler. Erfreuliche Ankündigungen kommen von der Rentenversicherung, doch ist das nicht mehr als eine Momentaufnahme. Die in Aussicht gestellte Rentenerhöhung von drei Prozent kann die Jamaika-Sondierer nicht in Sicherheit wiegen, bei der Rente sei alles in Ordnung. Das Gegenteil ist der Fall. Derzeit zahlen die Babyboomer-Jahrgänge noch kräftig ein. Sobald sie selbst zu Rentenbeziehern werden, wird sich das Blatt wenden. Schon in fünf Jahren werden die Beiträge steigen und wenig später das Rentenniveau sinken – wenn die Politik nicht gegensteuert.
Die Zukunftsprognosen der Rentenversicherung sind ein Alarmsignal an Union, FDP und Grüne. Neue Leistungen wie die Ausweitung der Mütterrente, für die bislang nichts eingezahlt worden ist, müssten entweder vom Steuer- oder vom Beitragszahler finanziert werden – sieben Milliarden Euro im Jahr. Der Trend zu höheren Beiträgen und einem geringeren Rentenniveau könnte noch beschleunigt werden. Finger weg davon, lauten daher die einhelligen Mahnungen der Experten von Arbeitgeber- und Gewerkschaftsseite. Statt auf neue Wohltaten sollte sich die künftige Regierung auf die Sicherung der Rente konzentrieren.
Mehr Möglichkeiten, länger zu arbeiten, könnten etwas Druck aus dem Kessel nehmen. Auch die Diskussion, ob das Rentenalter generell weiter angehoben werden sollte, wenn die Lebenserwartungen der Menschen steigen, muss ohne Scheuklappen geführt werden. Die Rente mit 63 einzugrenzen, wäre ebenfalls ein wichtiger Schritt, um die künftigen Generationen zu entlasten. Die Förderung der privaten Vorsorge ist jedenfalls kein Allheilmittel, um das sinkende Rentenniveau auszugleichen. Die Jamaikaner haben sich die soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben. Für die Rente gilt, was auch für den Kampf gegen den Klimawandel gilt: Noch ist es nicht zu spät. Wer weiter wartet und sich vor unbequemen Entscheidungen drückt, handelt unverantwortlich.
politik@schwaebische.de