Tränen in Freude verwandeln
Dem Buß- und Bettag folgt in der evangelischen Tradition der Totensonntag. Es ist zugleich auch Ewigkeitssonntag mit Totengedenken. Tränen sollen in Freude verwandelt werden. Tränen sollen in Freude verwandelt werden. In der gnadenlosen Welt sucht der verletzliche und vergängliche Mensch Trost, Ruhe und himmlische Vergewisserung. In gnadenlosen Zeiten brennt in den Menschen, die Jesus nachfolgen, dennoch das Licht, das das Finstere erhellt.
Der Mensch steht vor entscheidenden Fragen. Nicht nur die Politiker, jeder Einzelne. Jeder Mitwisser, jeder Nachfolger Jesu ist Teil eines großen Ganzen. Jeder ist gefragt das Leben mitzugestalten.
Klug zu handeln, denn Gott hat seinen Geschöpfen Großes anvertraut. Darauf, auf dieses Vertrauen Gottes in den Menschen, kommt es an. Darum geht es am letzten Sonntag im Kirchenjahr. Dabei bleiben die Grausamkeiten der Welt im Blick. Ist es doch unerlässlich sich zu fragen, was passiert denn mit den Menschen dermaleinst, die das in sie gesetzte Vertrauen auf brutale Weise missbraucht haben? Was passiert mit denen, die Gewalt, Angst und Schrecken verbreiten oder Unsummen an Geld verprassen? Werden sie am Ende ungeschoren davonkommen? Ein Gericht, in dem Gott recht schafft, ist für Menschen mit körperlicher oder seelischer Gewalterfahrung heilsam. Es widerspricht zwar dem allumfassend liebenden Gott, den Martin Luther in seiner Invocavitpredigt 1522 folgendermaßen beschreibt: Nun haben wir von Gott lauter Liebe und Wohltat empfangen, denn Christus hat für uns seine Gerechtigkeit und alles, was er hatte eingesetzt und hingegeben, hat alle seine Güter über uns ausgeschüttet, welche niemand ermessen kann; kein Engel kann sie begreifen oder ergründen: denn Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe, der da von der Erde bis an den Himmel reicht.
Das Böse und Ungerechte, das Menschen widerfährt, all die Rache und den Zorn, den Menschen in sich spüren, Gott zu überlassen, ist heilsam. Gottes Zorn Raum zu geben, schafft recht. Weil Gottes Zorn ein unauslöschliches Licht der Solidarität mit den Opfern ist – und er dennoch den Täter im Blick behält. Wenn Gottes Zorn den Raum füllt, schwindet der Platz für menschliche Rache und entsteht Raum für Neues, Unbelastetes. Gottes Rache ist Anlass zur Freude. Aus Tränen und Trauer wird Freude und Grund für Ruhe in gnadenlosen Zeiten.
Und die Rache Gottes, die höher ist als menschliche Vernunft und Gefühl, schenke der Welt Gerechtigkeit und Frieden. Amen.
Friederike Hönig ist evangelische Pfarrerin in Wangen