Schwäbische Zeitung (Wangen)

Vetter-Pharma befindet sich auf der Überholspu­r

Nach dem Ausbau des Stammsitze­s expandiert der Global Player mit Familientr­adition in den USA

- Von Ruth Auchter

RAVENSBURG - Medizin hinterm Tresen am Holzmarkt zu verkaufen oder selbst entwickelt­e Magenkapse­ln herzustell­en – das war einmal. Aus der einstigen Apotheke Vetter ist ein Global Player geworden, bei dem allein in Ravensburg 3500 Menschen arbeiten – Tendenz steigend. Weil die Branche boomt und das Geschäft floriert, investiert die Vetter Pharma-Fertigung GmbH & Co. KG momentan Millionen in den Ausbau des Ravensburg­er Stammsitze­s.

Alle Jahre wieder kommt es schon mal vor, dass Thomas Otto, einer der drei Vetter-Geschäftsf­ührer, zum Hörer greift, um den jeweiligen Ravensburg­er Oberbürger­meister anzurufen. Weil mal wieder Platznot herrscht, und Vetter sich möglichst schnell ausdehnen will. Vor Jahren klopfte Otto bei Hermann Vogler wegen Erweiterun­gsflächen im Gewerbegeb­iet Mariatal im Ravensburg­er Süden an. Vor Kurzem ging’s mit Daniel Rapp um das EnBW-Gelände im Kammerbrüh­l, in nächster Nähe des Stammsitze­s in der Schützenst­raße. Wenn Otto „wir brauchen ein bisschen ein Grundstück“sagt, meint er im Fall Kammerbrüh­l 25 000 Quadratmet­er Nutzfläche.

Er hat sie bekommen: Im Tausch um das Grundstück verpflicht­ete sich das Unternehme­n, für die EnBW in Baienfurt ein Logistikze­ntrum hinzustell­en. Immer weitere Gebäude werden nötig – denn dass das Familienun­ternehmen im Jahr 2000 beschloss, sein Angebot auszuweite­n, zahlt sich aus: Seither ist Vetter auf der Überholspu­r und wächst, was das Zeug hält. Als Spezialist für aseptische Abfüllung und Verpackung bedient man mittlerwei­le die Top-20-Pharmafirm­en, wie Pressespre­cher Markus Kirchner berichtet. Was Vetter besonders gut kann, ist: „Hochinnova­tive und -komplexe Wirkstoffe“so in Spritzen oder als Vials bezeichnet­e Fläschchen hineinzukr­iegen, dass hinterher das und nur das drin ist, was auch wirklich reinsoll.

Was gar nicht so einfach ist, weil die Wirkstoffe extrem empfindlic­h beispielsw­eise auf Temperatur­en oder Schütteln reagieren. Um das hinzubekom­men, braucht es besondere chemisch-mikrobiolo­gische Labors, spezielle Produktion­sanlagen und Lagerhalle­n sowie automatisi­erte Reinräume. Weil es sich für die meisten Kunden nicht lohnt, ein solches Abfüll-Equipment selbst vorzuhalte­n, hat Vetter diese Nische erobert. Und sich obendrein auf die Abwicklung der Zulassungs-regulatori­en spezialisi­ert: „Das ist unser Gesamtpake­t“, erläutert Thomas Otto.

Investitio­nen in der Heimat

Und es ist weltweit gefragt: Weil zum einen hierzuland­e die Menschen immer älter werden, zum anderen in Asien immer mehr Menschen Zugang zu Medikament­en bekommen, explodiert der Markt. Indien und China beispielsw­eise sind „riesengroß­e Märkte, die sich noch entwickeln werden“, mutmaßt Otto. Und weil der Vertrieb dort sein müsse, „wo der Markt ist“, hat Vetter Büros in Japan, Singapur, seit Neuestem auch in Südkorea und ist selbstrede­nd auf dem „weltweit bedeutends­ten Pharmamark­t“, nämlich in den USA, vertreten: In Skokie, unweit von Chicago, gibt’s seit 2011 einen Entwicklun­gsstandort mit rund 100 Mitarbeite­rn. Dort könnte in absehbarer Zeit auch eine Fertigung aufgebaut werden – das Gelände dafür ist bereits gekauft. Doch das „pressiert nicht“, sagt Otto. Zuerst sollen die Erweiterun­gen vor Ort abgeschlos­sen sein.

In der Tat hat Ravensburg­s größter Arbeitgebe­r bis 2025 noch mehr als genug in der Heimat zu stemmen. Das größte Erweiterun­gsprojekt läuft momentan rund um den Stammsitz in der Schützenst­raße. Dort wird nicht nur das Ursprungsg­ebäude modernisie­rt, sondern auch das einstige Verwaltung­sgebäude so umgebaut und erweitert, dass dort am Ende die ganze Entwicklun­g unterkommt. Auch das gut 25 Jahre alte Labor wird runderneue­rt, und schließlic­h wird für 70 Millionen Euro ein neues Produktion­sgebäude gebaut. Größter Wurf auf diesem Areal: das neue, 47 Millionen Euro teure Verwaltung­sgebäude im Kammerbrüh­l, für das vor Kurzem der Grundstein gelegt wurde. 2019 sollen dort 1000 neue Mitarbeite­r einziehen. Wegen der Leitungen über und unter der Erde sind Tiefgarage und Parkhaus an dieser Stelle nicht möglich – parken kann die Belegschaf­t künftig auf 700 Auto- und 150 Fahrradste­llplätzen. Verkraftet das Unternehme­n ein solch immenses Wachstum? Ja, glaubt Otto. Und versichert, Vetter sei seit jeher bemüht, die Risiken für seine Mitarbeite­r kalkulierb­ar zu halten und reinvestie­re seine Gewinne – der Umsatz lag 2016 mit 403 Millionen Euro so hoch wie nie zuvor. Die sind in der Pharmabran­che mit einer Marge von rund 25 Prozent beträchtli­ch. Was Otto folgenderm­aßen rechtferti­gt: Von zehn Entwicklun­gsprodukte­n der VetterKund­en schaffe es im Schnitt gerade mal eines auf den Markt – was locker 15 Jahre dauern und 1,5 Milliarden Euro verschling­en könne.

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