Mit Benzin über Land, mit Strom durch die Stadt
Der Mercedes C 350 e ist mit modernster Hybridtechnik unterwegs – Komfort der Oberklasse
Die Zukunft der automobilen Fortbewegung wird weitgehend elektrisch sein. Mit Tesla & Co hat sie für einige wenige, gut Betuchte schon begonnen. Es dürfte aber noch ein Dutzend oder mehr Jahre dauern, bis eine passable Ladeninfrastruktur aufgebaut ist und der Elektroantrieb auch für OttoNormalverbraucher erschwinglich wird. Wer heute schon emissionsarm und doch komfortabel bis sportlich unterwegs sein will, muss sich mit Übergangstechnologien begnügen.
Eine davon hört auf den Namen Hybrid. Sie besteht aus einer Kombination zwischen einem Verbrennungsmotor und einem Elektromotor. Letzterer zieht den Strom aus Akkus, die entweder während der Fahrt aufgeladen oder als Plug-inHybrid zusätzlich an eine Steckdose angeschlossen werden können. Audi war 1994 der erste Hersteller, der Hybrid anbot. Doch die Modelle Audi 80 duo und A4 duo verkauften sich so schlecht, dass sie rasch vom Markt verschwanden. Toyota bewies einen längeren Atem und baut seit 1997 den Prius – mittlerweile in der vierten Generation. Heute hat nahezu jeder einen solchen Zwitter im Programm.
Sogar Daimler. 2009 statteten die Stuttgarter ihre S-Klasse erstmals mit einem zusätzlichen Elektromotor aus. Heute umfasst das HybridPortfolio von Mercedes-Benz 13 Modelle. Zu erkennen sind sie am „e“hinter der Klassen und Typenbezeichnung. Wir bewegten das kleinste Exemplar der Plug-in-Hybride von Daimler, den Mercedes C 350 e. Mit einem Grundpreis von 51 015 Euro ist er fast 15 000 Euro teuer als der UrHybrid von Toyota, technologisch, dynamisch und optisch aber eine Klasse für sich. Von wegen Mittelklasse: Ausstattung, Materialien, Ambiente und Komfort bewegen sich auf dem Niveau der PremiumOberklasse. Da fehlt’s an nichts: Luftgefedert, klimatisiert, das Ledergestühl beheizt und belüftet, die weite Welt des Netzes und alle möglichen Helfer an Bord, fühlt sich der Chauffeur hinterm Steuer wie im Chefsessel. Auch die Passagiere können sich nicht beklagen. Nur beim Kofferraumvolumen sind kleine Abstriche fällig. Durch den über der Hinterachse eingebauten 100 Kilogramm schweren Akku, besitzt der Laderaum eine Stufe.
Für erste Irritationen sorgt der Anlasser. Beim Drehen des Zündschlüssels ohne Bart tut sich erst mal nichts. Der Motor gibt nicht den leisesten Ton von sich. Den Wählhebel der Sieben-Gang-Automatik auf Drive, das Gaspedal leicht angetippt, und schon rollt das 1,7 Tonnen schwere Gefährt an. Noch immer lautlos, aber mit spürbarer Power. Der Drehzahlmesser bleibt so lange auf Null stehen, bis die elektrisch erzeugte Leistung von umgerechnet 81 PS nicht mehr ausreicht und sich der 211 PS starke Benzinmotor zuschaltet.
Das Zusammenspiel der Kräfte vollzieht sich äußerst harmonisch. Der Fahrer kann das Techtelmechtel mit Hilfe von vier Betriebsarten (Hybrid, E-Mode, E-Safe und Charge) und fünf Fahrprogrammen regeln, was recht anspruchsvoll ist. Von Sport+ über Sport, Comfort bis Economy und einem inividuell programmierbaren Modus lassen sich die Boost-Leistung des Elektromotors und das Ansprechverhalten des Benziners mittels eines Kippschalters auf der Mittelkonsole steuern.
Im Eco-Modus „denkt“ein Assistent mit und gibt dem Fahrer über das Gaspedal sanfte Klopfzeichen. Erkennt das Radarsystem ein langsamer vorausfahrendes Fahrzeug, signalisiert der Impuls dem Fahrer, den Fuß vom Gas zu nehmen. Das Fahrzeug variiert dann seine Verzögerung selbstständig durch den Elektromotor, wobei die Bremsenergie rekuperiert, das heißt, in Strom umgewandelt wird. Ist das Navigationssystem zugeschaltet, werden Be- und Entladen der Hochvoltbatterie so geregelt, dass bei Erreichen der nächsten Stadt weitgehend mit Strom gefahren werden kann. Das hört sich nach Hexerei an, ist es aber nicht, vielmehr ist es Ergebnis einer intelligenten Vernetzung von Systemen, die ständig mitlenken. Die DaimlerIngenieure beherrschen sie schon ganz gut, was im Hinblick auf das autonome Fahren essenziell sein wird.
Die Gesetze der Physik können sie dennoch nicht aus den Angeln heben. Unter 7,1 Liter auf 100 Kilometer sind wir mit dem Mercedes C 350 e kombiniert nie gekommen. Das ist für eine 211 PS starke Maschine nicht viel, aber Welten von den angegebenen 2,1 Litern entfernt. Bei reinem Kurzstreckenbetrieb mögen solche Spareffekte gelingen: Morgens 15 Kilometer zur Arbeit, dort an die Steckdose, mittags zehn Kilometer zu einem Termin, dort wieder Strom zapfen, und abends in der Garage erneut an die Steckdose – dann fließt kein Tropfen Benzin. Geht die Fahrt über Land, sieht die Sache ganz anders aus. Der Test auf einer 180 Kilometer langen Strecke mit teils Autobahn, teils Landstraße, teils Stadtverkehr, ergab im Eco-Modus einen Durchschnittsverbrauch von 7,1 Liter, wobei der Verbrennungsmotor 55 Kilometer lang abgeschaltet war. Im Sportmodus, in dem das Auto nur 16 Kilometer ohne Verbrennungsmotor lief, errechnete das System auf der gleichen Strecke einen Durchschnittsverbrauch von 7,4 Liter. Das hat uns dann doch erstaunt.
Hybrid ist ein Bekenntnis
31 Kilometer rein elektrisch, wie angegeben, ist beim besten Willen nicht zu schaffen. Bei voll geladenen Akkus zeigt das Display maximal 23 Kilometer Reichweite. Doch die schrumpften im realen Betrieb auf 12. Ganz leer wird der Akku allerdings nie, für das Anfahren bleiben immer Reserven. Angesichts der beeindruckenden Fahrleistung, den überragenden Fahreigenschaften und des hohen Komforts mögen solche Rechnungen kleinlich klingen. Doch im Hinblick auf Kosten und Emissionen müssen die Grenzen des Systems ins Kalkül gezogen werden.
Fazit: Mit dem Mercedes C 350 e ist man auf hohem Niveau und mit modernster Hybridtechnik unterwegs. Beides hat bei Daimler seinen Preis. Selbst wer den Akku konsequent lädt – an den Emma-Schnellladesäulen in Friedrichshafen geschieht das nach wie vor gratis –, wer die fast 300 Pferdestärken stets in Zaum hält und die Leistungsreserven nie ausreizt, kann den Spareffekt im Hinblick auf den Anschaffungspreis vernachlässigen. Das klein geschriebene „e“wächst so zu einem großen Bekenntnis: Schaut her, ich bin Mercedesfahrer und mit einer angesagten, umweltfreundlichen Technologie unterwegs. Dafür greift selbst der Schwabe doch gern tiefer in die Tasche, und nimmt die 3000 Euro Anschaffungsprämie dankend an.