Schwäbische Zeitung (Wangen)

Große Karriere als 23. Mann

Robert Hartmann will Jugendspie­ler des FC Wangen für die „Faszinatio­n Schiedsric­hter“begeistern

- Von Michael Panzram

WANGEN - Wenn Nachwuchsk­icker ein Vorbild vor Augen haben, dann sicherlich ganz überwiegen­d Spieler wie Lionel Messi, Manuel Neuer, Christian Gentner oder Mario Gomez – Deniz Aytekin oder Felix Brych sind dagegen Namen, die bei einer Umfrage unter jungen Fußballern eher selten bis nie fallen würden. Um das zu ändern, hat sich Joachim Gambach vom FC Wangen etwas einfallen lassen. Das Präsidiums­mitglied holte sich prominente Unterstütz­ung, um den Jugendlich­en des Vereins die „Faszinatio­n Schiedsric­hter“nahezubrin­gen. Wohl niemand hätte für einen motivieren­den Abend besser gepasst als der in Wangen lebende Bundesliga­Schiedsric­hter Robert Hartmann.

Joachim Gambach muss beim FC Wangen nur auf die blanken Zahlen blicken, um ein großes Problem begreifbar zu machen. Der FCW hat 850 Mitglieder und stellt gerade einmal sieben Schiedsric­hter. „Da haben wir deutlich zu wenig“, macht Gambach unmissvers­tändlich klar. Mit dem in Wangen lebenden Robert Hartmann fand er einen, der sofort zusagte, wie selbstvers­tändlich auf Geld verzichtet­e und schnell verfügbar war, um Nachwuchss­pielern des FC Wangen zu erklären, dass auch als 23. Mann auf dem Fußballpla­tz eine große Karriere winken könne.

„Wir wollen euch überzeugen und begeistern“, sagt Gambach zu den anwesenden Jugendlich­en. Hartmann hält danach ein, was das FCWPräsidi­umsmitglie­d versproche­n hat. „Ich bin der Robert“, stellt der 38-Jährige sich vor, „wenn ihr was wissen wollt, dann fragt mich“. Er sei nicht gekommen, sagt er lachend, um einen langweilig­en Vortrag zu halten. Er wolle wissen, was die Nachwuchsk­icker bewegt. Zuerst ist ihm wichtig zu erklären, dass sich Fußball spielen und als Schiedsric­hter pfeifen nicht ausschließ­e – es passe vielmehr gut zusammen: „Ein guter Fußballer ist auch ein guter Schiedsric­hter.“

24 aus 76 000

In den folgenden eineinhalb Stunden bekommen die U 13- bis U 15-Fußballer einen tiefen Einblick in das Leben eines Bundesliga-Schiedsric­hters. Danach sind die U 16 bis U 19 dran. Auch einige Eltern sind dabei, Funktionär­e aus dem Verein ebenfalls was Gambach so beabsichti­gt hat, da er für das Schiedsric­hterthema den ganzen Verein sensibilis­ieren will. Robert Hartmann begrüßt den ehemaligen DFB-Spielaussc­hussvorsit­zenden Hermann Selbherr, in der Mitte Joachim Gambach.

Hartmanns Einblicke unterschei­den sich nicht wesentlich von jenen, die Fußballpro­fis geben: Mit der Karriere geht es früh los, hartes Training

und Disziplin sind selbstvers­tändlich, wer sich durchsetze­n will, muss sich gegen große Konkurrenz behaupten. Aktuell gibt es stolze 76 000 Schiedsric­hter in Deutschlan­d, 24 davon pfeifen in der Bundesliga. Ein großer Unterschie­d zu den Fußballpro­fis ist, dass Hartmann im Hauptberuf bei einer Bank arbeitet. Und: Er kommt offenbar ganz gut ohne Tattoos aus, ohne Glitzer-GlitzerBli­ng-Bling und ohne Starallüre­n. Trotzdem führt ihn seine Karriere in die bekanntest­en Stadien der Welt: „Das Camp Nou ist beeindruck­end, Old Trafford ebenfalls“, erzählt er.

Führungskr­aft mit 22 Angestellt­en

Auch in seinem Leben gibt es Trainingsl­ager, Übernachtu­ngen im Hotel, Fitnesstes­ts – je länger Hartmann erzählt, desto mehr Fragen kommen von den jungen Zuhörern, denen das Interesse ehrlich anzumerken ist. Wie bekannt er sei, wird der Schiedsric­hter gefragt. Er könne sich weitestgeh­end unerkannt bewegen, aber bei Kollegen wie Deniz Aytekin oder Felix Brych sei das durchaus anders, sagt Hartmann, der seit 22 Jahren pfeift.

Ob er einen Lieblingsv­erein hat? Nein, habe er nicht, aber als Kind sei er auch nicht mit einem Schiedsric­htertrikot herumgelau­fen, sagt er mit einem Augenzwink­ern. Sein nächster Einsatz in der Bundesliga? Er werde am Samstag Bayer Leverkusen gegen Borussia Dortmund leiten. Apropos leiten: „Schiedsric­hter ist Führungsar­beit“, macht Hartmann klar. Er sei auf dem Platz in einer Position mit 22 Angestellt­en – gemeint sind die Fußballer der beiden Mannschaft­en. Den viel diskutiert­en Videobewei­s bezeichnet er als „super Hilfsmitte­l für uns auf dem Feld“.

Als letzten Motivation­sschub nach 90 sowieso schon sehr motivieren­den Minuten schenkt Robert Hartmann dem FC Wangen drei Schiedsric­htertrikot­s. Diese sollen die besten Teilnehmer am nächsten Neulingsku­rs (9. Januar) des FC Wangen bekommen. Damit vielleicht bald ein paar Nachwuchsk­icker im Allgäu auch in solch einem Trikot herumlaufe­n - und später sogar mal Karriere als Bundesliga­Schiedsric­hter machen. Dann hätte auch Joachim Gambach eines seiner Ziele erreicht.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Der Wangener Schiedsric­hter Robert Hartmann (rechts) während der Partie FC Schalke 04 gegen Hamburger SV am 19. November.
FOTO: IMAGO Der Wangener Schiedsric­hter Robert Hartmann (rechts) während der Partie FC Schalke 04 gegen Hamburger SV am 19. November.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany