Eine Bahntrasse ins Nirgendwo
Der Tiefbahnhof Stuttgart 21 wird auch deswegen gebaut, weil er viele Befürworter abseits der Landeshauptstadt hat. Beim Volksentscheid stimmten Bürger in Oberschwaben, am Bodensee und auf der Alb für das Projekt. Bahn und Politik haben ihnen konkrete Versprechen gegeben. Die lauten: raschere Anbindungen nach Stuttgart und zum Flughafen, eine bessere Vernetzung mit dem Fernverkehr.
Diesen Versprechen müssen nun Taten folgen, selbst wenn der Tiefbahnhof erst Jahre später fertig wird. Lamentieren hilft nicht. Es ist seit Langem klar, dass die Strecke Stuttgart-Ulm vor dem Tiefbahnhof fertig wird. Deswegen darf man von der Bahn erwarten, dass sie bereits Konzepte für eine Interimslösung prüft und zeitnah etwas vorlegt.
Leider besteht Anlass zum Pessimismus. Die Bahn besticht durch Planungsdesaster, siehe S 21, siehe Schnellbahnstrecke München-Berlin. Viele Unwägbarkeiten waren im Vorfeld bekannt, wurden aber offenkundig nicht genügend berücksichtigt. Seien es die streng geschützten Eidechsen im Gleisfeld oder das quellfähige Gestein, durch das die Tunnel in Stuttgart getrieben werden muss. Das war bekannt und wird nun als Grund für die Verzögerungen und Kostensteigerungen genannt. Besser gewesen wäre es, sich rechtzeitig darauf einzustellen.
Die Bahn muss endlich aus diesen Fehlern lernen und nun rechtzeitig für die Übergangszeit planen. Die Bundesregierung muss ihrerseits Druck ausüben – das Unternehmen gehört schließlich dem Bund. Schon bald werden die Pendler auf der Südbahn in Vorleistung gehen. Sie müssen mit erheblichen Behinderungen rechnen, wenn die Trasse zwischen Lindau und Ulm elektrifiziert wird. Streckensperrungen und Pendelbusse werden monatelang zur Regel. Kunden müssen viel erdulden, ohne dafür zeitnah von den Vorteilen der Bauarbeiten zu profitieren.
Man stelle sich dieses Desaster vor: Milliarden Euro teure Tunnel, die kein Zug nutzen kann. Ein Bahnhof auf der Alb ohne Anschluss. Willkommen im schwäbischen Schilda.