Ex-Favorit
Der konservative Kandidat Sebastián Piñera galt lange als Favorit für die chilenische Präsidentenwahl am morgigen Sonntag. Aber der Ex-Präsident und Milliardär hat einen Fehler gemacht, der die Wahl entscheiden könnte. Vor rund zwei Wochen warf der Wahlbehörde Servel vor, es seien in der ersten Runde manipulierte Stimmzettel zugunsten der anderen Kandidaten – dem Ex-Journalisten Alejandro Guillier von der regierenden Mitte-links-Koalition „Nueva Mayoría“und der Linkskandidatin Beatriz Sánchez – im Umlauf gewesen. Beweise nannte er nicht. Die Empörung innerhalb der Bevölkerung war groß. Schließlich ist das kleine und wirtschaftlich erfolgreiche Chile Deutschland sehr viel ähnlicher als Honduras. Die Kandidatin Sánchez des aufstrebenden Linksbündnisses „Frente Amplio“gab daraufhin ihre Position auf.
Der Patzer des Politikers, der Chile schon von 2010 bis 2014 regierte, ist Ausdruck seiner Nervosität. Lange schien es ausgemacht, dass Piñera vom Frust über die scheidende Regierung profitieren würde, die sich in ihren Reformbemühungen der vergangenen Jahre verheddert hat. Offenbar ist der Widerstand in der Bevölkerung gegen eine Rückkehr Piñeras größer als gedacht. Um die Wahl zu gewinnen, musste er sich an den rechten Rand annähern und sich mit José Antonio Kast verbünden. Er bekennt sich zum Erbe des Diktators Augusto Pinochet. Bei der ersten Wahlrunde Mitte November stimmten acht Prozent für Kast.
Auf der anderen Seite konnte sich das aus zwölf Parteien und Bewegungen bestehende Bündnis „Frente Amplio“(Breite Front) nicht dazu durchringen, eine Wahlempfehlung für Guillier abzugeben. Schließlich wurde es aus dem Frust über die zu kompromissorientierte Politik der aktuellen Regierung gegründet. Nun sind viele in der FA in einem Dilemma: den Prinzipien treu bleiben, oder unbedingt eine Rückkehr von Piñera verhindern. Klaus Ehringfeld