Rechtsrutsch aus Machtkalkül
Gewiss, in Europa sind Rechtsparteien keine Seltenheit mehr. Aber in Österreich regieren die Rechten mit, und die mit ihnen koalierenden Christdemokraten haben sich schamlos dem rechten Rand aus populistischen Motiven genähert. Daher ist die Rede vom Rechtsrutsch in Wien gerechtfertigt. Der junge, machtbewusste ÖVPChef und Bundeskanzler Sebastian Kurz hätte dieses Bündnis nicht eingehen müssen. Doch er hat gezielt die rot-schwarze Koalition, der er als Außenminister angehörte, vorzeitig platzen lassen, um mit der FPÖ zu regieren. Dass er sich damit von der Strache-Partei abhängig und erpressbar macht, kalkulierte er kaltschnäuzig ein.
Der Kuschelkurs, den beide seit der Wahl im Oktober vorführen, wird in der Regierung nicht lange halten: Die FPÖ ist nach wie vor ihren Wählern verpflichtet, und die teilweise rechtsradikalen Burschenschafter, die das ideologische Fundament dieser Partei bilden, werden Strache die Grenzen zeigen, sollte er zu kompromisslerisch werden.
Das weiß Kurz: Im Regierungspapier musste er Strache die Zusage abringen, dass eine Volksabstimmung über die Mitgliedschaft der EU tabu sei. Das beweist, dass Kurz der FPÖ nicht vertraut. Daher stellt sich die Frage, wie lange die Strache-Partei Mitglied des rechtsgerichteten Clubs im Europaparlament sein kann, der die Zerstörung des gemeinsamen Europas zum Ziel hat.
Interessant wird auch sein, wie sich das gespannte Verhältnis zwischen Rechtsregierung und „grünem“Bundespräsidenten entwickeln wird. Van der Bellen ist auf der Hut: Frühzeitig stellte er das Europabekenntnis zur Bedingung, wenn er diese Regierung vereidigen soll. Auch machte das Staatsoberhaupt klar, dass er FPÖ-Ministerkandidaten mit fragwürdigem Ruf ablehnen werde. FPÖ-Chef Strache verzichtete „brav“auf Provokationen.
Zwischen den Machtzentren Hofburg, wo Präsident von der Bellen residiert, und Ballhausplatz, wo die Bundesregierung ihren Sitz hat, wird die nächsten fünf Jahre ein gewisses Misstrauen vorherrschen.