„Bitterer Fehler“im Fall Amri
Berlin-Attentäter wohl seit 2015 überwacht - 16 Terroranschläge seit dem Jahr 2000 verhindert
BERLIN (dpa/AFP) - Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat zum Jahrestag des Anschlags von Berlin die Einschätzungen der zuständigen Behörden zur Gefährlichkeit des Attentäters Anis Amri als „bitteren Fehler“bezeichnet. Zudem räumte der CDU-Politiker in der „Bild am Sonntag“Versäumnisse nach dem Lastwagen-Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz ein. „Es fehlte eine Anlaufstelle für Betroffene, auch die Identifizierung der Toten hat zu lange gedauert“, sagte er. „All das wird uns eine Lehre sein.“Er werde die Trauer, den Zorn und die Ratlosigkeit der Angehörigen nie vergessen.
Nach Recherchen der „Welt am Sonntag“haben Polizei und Geheimdienste Amri viel früher und intensiver im Blick gehabt als bislang bekannt. So habe die Bundesanwaltschaft den Tunesier spätestens seit November 2015 vom Bundeskriminalamt (BKA) und vom Landeskriminalamt (LKA) Nordrhein-Westfalen durch einen V-Mann der Polizei gezielt überwachen lassen. Die Maßnahme sei Teil der verdeckten Ermittlungen gegen die mutmaßliche IS-Zelle des Hildesheimer Hasspredigers Abu Walaa gewesen, berichtete die Zeitung. Bereits am 24. November 2015 und damit mehr als ein Jahr vor dem Anschlag auf den Breitscheidplatz meldete demnach ein VMann konkrete Anschlagspläne Amris an das LKA Düsseldorf.
Warum Amri trotzdem nicht vor dem Anschlag, bei dem am 19. Dezember 2016 zwölf Menschen getötet und annähernd 100 verletzt wurden, verhaftet wurde, geht laut „Welt am Sonntag“aus den ihr vorliegenden Akten nicht hervor. Jedoch legten die Recherchen eine Verwicklung auch internationaler Geheimdienste nahe. Diese dürften in Amri einen „Lockvogel“gesehen haben, der sie zu seinen Hintermännern, den Anschlagsplanern in Libyen, führen sollte.
De Maizière betonte am Sonntag jedoch auch, dass seit dem Jahr 2000 von den Sicherheitsbehörden 16 Terroranschläge verhindert worden seien, drei davon in diesem Jahr. „Ohne Zweifel ist das ein Ergebnis der sehr guten Arbeit unserer Behörden und des Zusammenspiels mit ausländischen Diensten“, sagte der CDU-Politiker. „Die Behörden greifen heute teilweise schneller zu als früher, um Gefahren abzuwehren.“