Berufsschulen: Brisanz wird deutlich
Kreistag diskutiert über die geplante Reform an den beruflichen Schulen.
WALDBURG/WANGEN - Mehr als zwei Stunden lang hat sich der Ravensburger Kreistag am Dienstag auf seiner jüngsten Sitzung in Waldburg mit der geplanten Strukturreform der beruflichen Schulen auseinander gesetzt. Das erste Stimmungsbild nach kontroverser Diskussion zu dem brisanten und kurzfristig angesetzten Tagesordnungspunkt: Eine Mehrheit befürwortet grundsätzlich die Pläne der Kreisverwaltung für eine Konzentration von Ausbildungsangeboten.
Die Zuhörerstühle reichten nicht aus, die Galerie war proppenvoll: Die Waldburger Mehrzweckhalle dürfte bei einer politischen Veranstaltung wohl selten so gut gefüllt gewesen sein wie an diesem Dienstagnachmittag. Mehr als hundert Schüler und Lehrer vom Beruflichen Schulzentrum Wangen (BSW) waren in Privatautos und einem Doppeldeckerbus angereist, wollten die Debatte zur „Neuordnung des Ausbildungsangebots der beruflichen Schulen im Landkreis“verfolgen und zeigten mit Plakaten, Bannern und Schildern, was sie von den Plänen des Landkreises halten – gar nichts.
Investitionsstau gut 200 Millionen
Es geht vor allem um die geplante Verlagerung eines Großteils der gewerblichen Ausbildung im Allgäu von Wangen nach Leutkirch und die Bündelung von Berufssparten in „Kompetenzzentren“. Kreisschuldezernent Franz Baur ging in seiner Präsentation zu Beginn noch einmal auf die Ziele bei der Umsetzung der sogenannten regionalen Schulentwicklung ein: Erhalt aller Standorte, gleichmäßige Gestaltung der Angebote in den Regionen West und Allgäu oder Konzentration der Ausbildung. Mit der neuen Struktur soll ein Fundament für die anstehenden Sanierungen an den Standorten geschaffen werden, den Investitionsstau bezifferte Baur hier auf insgesamt mehr als 200 Millionen Euro.
Siegfried Spangenberg (Grüne) kritisierte vor allem den „viel zu kurzen Zeitplan“und forderte eine „breit gestreute Diskssion“: „Das Ganze schon bis zum Schuljahr 18/19 durchzusetzen, ist zum Scheitern verurteilt.“Michael Lang (Freie Wähler) drängte ebenfalls darauf, „Druck aus der Entscheidung rauszunehmen“: „Ich kenne keinen Schulträger, der funktionierende Klassen auflöst“, so der Wangener OB. „Und bei uns drückt man sogar aufs Tempo.“Lang vermisst zudem die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Schulfusionen im Allgäu und befürchtet durch die dann längeren Anfahrtswege der Schüler, dass „wir die Kompetenz der Schüler aus der bayerischen Nachbarschaft verlieren“. Auch Gerhard Lang (SPD) bat um eine Entscheidung erst im März und formulierte einen Fragenkatalog an die Kreisverwaltung zu Ergebnissen der Fusionen, zum Investitionsbedarf oder zum Problem des ÖPNV: „Was wollen wir den Schülern an Mobilität zumuten?“Insgesamt neigt Lang eher zum Modell H2, das die Hinweisverfahren des Regierungspräsidiums umsetzt und beispielsweise gewerbliche Schwerpunkte in Leutkirch (Metall) und Wangen (Kfz) vorsieht. Siegfried Scharpf (ÖDP) sprach sich grundsätzlich gegen eine Zentralisierung aus, Karl-Heinz Buschle (FW) schlug für die Kfz-Innung vor, das erste Fachschuljahr an den Standorten zu belassen.
Deutliche Worte vom RP
Es gab aber auch einige Stimmen, die sich mit den Kreisplänen anfreunden konnten. So bezeichnete Roland Zintl das K2-Modell als „naheliegend“. Leutkirchs OB Hans-Jörg Henle (CDU) lobte den Kreis für die geplanten Investitionen und dessen Bekenntnis zu den beruflichen Schulen, man müsse aber „jetzt eine Entscheidung treffen, um zukunftsfähige Standorte zu sichern“. In diese Richtung gingen weitere Wortmeldungen aus unterschiedlichen Fraktionen.
Die deutlichsten Worte in der Sitzung fand jedoch Dieter Renner. Der Abteilungsdirektor vom Regierungspräsidium (RP) als zuständiger Schulbehörde stellte zunächst klar, dass der Kreis als Schulträger den Gestaltungsauftrag habe. Nur, wenn er dem nicht nachkomme, greife das RP ein. Renner erinnerte aber auch daran, dass es der Landkreis bei den Schulfusionen im Allgäu einst versäumt habe, die Kleinklassenproblematik zu lösen. Dies vor dem Hintergrund, dass aktuell zehn sogenannter Hinweisverfahren laufen würden. „Wir müssen die Verdichtung von Bildungsgängen jetzt angehen“, so der RP-Vertreter, der es „mutig“findet, nicht nur vom kleineren zum großen Standort zu verschieben, sondern auch andersherum. Zwar würdigte Renner die Entwicklung am BSW Wangen und zeigte Verständnis für den dortigen Unmut, maß einem „Zukunftsmodell für den gesamten Landkreis“aber ein „viel stärkeres Gewicht“zu: „Ich kann hier dafür sein, ich bin sogar sehr dafür.“
Nur kurz zur Sprache kam in der Debatte die Edith-Stein-Schule in Ravensburg und Aulendorf, bei welcher der Landkreis eine Zusammenlegung an einem Standort prüfen will. „Wo ich bündele, kann ich ein breiteres Angebot bieten und bei Ausfällen auch für Ersatz sorgen“, so äußerte sich Peter Greiner, geschäftfsführender Schulleiter der beruflichen Schulen im Kreis, nur grundsätzlich zur Thematik.
Zeitplan teilweise nicht machbar
Angeschnitten wurde in der Debatte ebenfalls nur kurz, dass der Zeitplan für die Umsetzung der Kreis-Pläne ab dem Schuljahr 2018/19 zumindest bei den Vollzeitschülern wegen der Anmeldefrist 1. März wohl nicht machbar ist. Auf Vorschlag von Landrat Harald Sievers sollen die Fraktionen bis zur nächsten Kreistagssitzung entscheiden, ob die Beschlussvorschläge der Verwaltung entscheidungsreif sind. Zu dieser Entscheidung beitragen sollen vorab Besichtigungen an den fünf Schulen und eine Ausschusssitzung.