Stille Nacht auf hoher See
Was ein Kißlegger an Weihnachten auf dem Meer weit weg vom Allgäu macht.
KISSLEGG/OSTSEE - Ein Schiff umgeben von meterhohen Wellen, launischen Wetterkapriolen und stetig tanzenden Windrädern. Das ist der Arbeitsplatz von Felix Kirsner aus Kißlegg. Denn er arbeitet als Monteur auf dem Versorgungsschiff „Esvagt Froude“und wird dort auch, zusammen mit anderen Kollegen, das Weihnachtsfest feiern.
Und auf das Fest stimmen die dänischen Kollegen des 23-Jährigen schon während der Adventszeit ein, erklärt Kirsner: „Sie basteln eifrig an der Dekoration.“Und sie seien es auch, die den Weihnachtsbaum aufstellen und bestücken. Natürlich wird auch am Heilig Abend gearbeitet, erklärt Kirsner. Doch lässt es die Auftragslage zu, dürfe man eine Stunde früher Feierabend machen.
Das Essen sei an Heiligabend dann ganz besonders festlich und delikat. Das käme vielleicht auch daher, dass der Koch aus Dänemark den ganzen Tag Weihnachtslieder in der Küche während der Zubereitung singt, vermutet Kirsner. Allgemein sei der Speiseplan an Bord abwechslungsreich und gesund, sagt der Monteur: „Die Arbeitszeit beträgt um die zwölf Stunden. Der Tag beginnt mit einem guten Frühstück, das mit den Kollegen eingenommen wird.“Die Crew komme aus vielen verschieden Nationen, doch trotz unterschiedlicher Mentalitäten herrsche ein kameradschaftliches Miteinander.
15 bis 30 Kollegen arbeiten je nach Saison für einen Offshore-Windpark der Energie Baden-Württemberg (EnBW) in der Ostsee vor der dänischen Küste. Siemens hat dafür ein Schiff zur Verfügung gestellt, das die Betreuung der Turbinen vor Ort ermöglicht. An Bord befindet sich alles, was für die Wartung, Reparatur und Instandhaltung der Windkraftanlagen notwendig ist – aber auch was die rund 30 Techniker und Monteure für den Aufenthalt auf See zum Leben brauchen.
Ein manchmal stürmischer Alltag
Mit den stürmischen Bedingungen während der Arbeit komme er gut klar und werde kaum seekrank, erzählt Felix: „Selbst bei starken Schwankungen werde ich nicht grün im Gesicht.“Allenfalls habe er dann keinen Appetit, doch das halte nie sehr lange an. Nach der Morgenbesprechung geht es jeden Tag zu den Turbinen. Ausgestattet mit Schutzkleidung, Helm und Brille werden die Windräder angefahren. Eine weitere Besonderheit des Schiffes ist die sogenannte Ampelmann-Anlage. Entwickelt von der gleichnamigen Firma aus Holland sorgt sie für eine sichere Überquerung vom Schiff zur Turbine. Durch ein speziell entwickeltes Hydrauliksystem werden die Schwankungen der Wellen ausgeglichen und ermöglicht so einen ruhigen Gang über die Brücke. Selbst zweieinhalb
Meter hohe Wellen werden kompensiert.
Kirsner erklärt, dass auch in den Turbinen selbst ein Überlebenspaket gelagert sei, da bestimmte Wetterverhältnisse eine Beförderung von der Turbine auf das Schiff unmöglich machen könnten. Zwar habe er es noch nie erlebt, doch für den schlimmsten Fall sei Nahrung für zwei Wochen gelagert sowie warme Kleidung und medizinische Versorgung.
Und wenn der Arbeitstag zu Ende ist? Wie sieht der Feierabend aus? Wie der Wohnbereich? „Es gibt viele Freizeitmöglichkeiten auf dem Schiff,“erklärt der 23Jährige. In einem Kinoraum könne man sich gemeinsam Filme anschauen und in einem gut ausgestatteten Fitnessraum habe man die Möglichkeit
verschiedene Sportgeräte zu nutzen. Wer es lieber ruhiger mag, könne mit den Kollegen Tischkicker spielen oder auch Kartenspiele wie Poker seien sehr beliebt.
Ein zweites Zuhause an Bord
Die Zimmer selbst seien gemütlich ausgestattet mit allem, was man braucht um nach einem langen Arbeitstag zu entspannen. Es gibt einen Fernseher, ein gemütliches Bett, Dusche, kurzum: Felix fühlt sich wohl in diesen vier Wänden. Und wenn es die Zeit erlaubt, lernt er noch für seine Fortbildung zum Techniker.
Wie alle seine Kollegen bleibtder Monteur zwei Wochen auf dem Schiff
und genauso lange ist er dann wieder zu Hause in Kißlegg. Dort geht er seinen Hobbys nach: Er liebt die Berge und fährt gerne Motorrad.
Doch bevor es wieder nach Hause ins Allgäu geht, verbringt er nun gerade die Weihnachtszeit auf der Ostsee. Und an Bord der „Esvagt Froude“gibt es natürlich auch eine Bescherung. Kirsner, der bereits das zweite Weihnachten auf See ist, hat im vergangenen Jahr einen warmen Gesichtsschal bekommen. Und jetzt ist er gespannt, was das Christkind dieses Jahr auf die Ostsee trägt. Auf die „Esvagt Froude“. Zu seiner Crew, die für einen Abend nicht nur seine Kollegen, sondern auch eine kleine Familie sind.