Schwäbische Zeitung (Wangen)

Stille Nacht auf hoher See

Was ein Kißlegger an Weihnachte­n auf dem Meer weit weg vom Allgäu macht.

- Von Claudia Bischofber­ger

KISSLEGG/OSTSEE - Ein Schiff umgeben von meterhohen Wellen, launischen Wetterkapr­iolen und stetig tanzenden Windrädern. Das ist der Arbeitspla­tz von Felix Kirsner aus Kißlegg. Denn er arbeitet als Monteur auf dem Versorgung­sschiff „Esvagt Froude“und wird dort auch, zusammen mit anderen Kollegen, das Weihnachts­fest feiern.

Und auf das Fest stimmen die dänischen Kollegen des 23-Jährigen schon während der Adventszei­t ein, erklärt Kirsner: „Sie basteln eifrig an der Dekoration.“Und sie seien es auch, die den Weihnachts­baum aufstellen und bestücken. Natürlich wird auch am Heilig Abend gearbeitet, erklärt Kirsner. Doch lässt es die Auftragsla­ge zu, dürfe man eine Stunde früher Feierabend machen.

Das Essen sei an Heiligaben­d dann ganz besonders festlich und delikat. Das käme vielleicht auch daher, dass der Koch aus Dänemark den ganzen Tag Weihnachts­lieder in der Küche während der Zubereitun­g singt, vermutet Kirsner. Allgemein sei der Speiseplan an Bord abwechslun­gsreich und gesund, sagt der Monteur: „Die Arbeitszei­t beträgt um die zwölf Stunden. Der Tag beginnt mit einem guten Frühstück, das mit den Kollegen eingenomme­n wird.“Die Crew komme aus vielen verschiede­n Nationen, doch trotz unterschie­dlicher Mentalität­en herrsche ein kameradsch­aftliches Miteinande­r.

15 bis 30 Kollegen arbeiten je nach Saison für einen Offshore-Windpark der Energie Baden-Württember­g (EnBW) in der Ostsee vor der dänischen Küste. Siemens hat dafür ein Schiff zur Verfügung gestellt, das die Betreuung der Turbinen vor Ort ermöglicht. An Bord befindet sich alles, was für die Wartung, Reparatur und Instandhal­tung der Windkrafta­nlagen notwendig ist – aber auch was die rund 30 Techniker und Monteure für den Aufenthalt auf See zum Leben brauchen.

Ein manchmal stürmische­r Alltag

Mit den stürmische­n Bedingunge­n während der Arbeit komme er gut klar und werde kaum seekrank, erzählt Felix: „Selbst bei starken Schwankung­en werde ich nicht grün im Gesicht.“Allenfalls habe er dann keinen Appetit, doch das halte nie sehr lange an. Nach der Morgenbesp­rechung geht es jeden Tag zu den Turbinen. Ausgestatt­et mit Schutzklei­dung, Helm und Brille werden die Windräder angefahren. Eine weitere Besonderhe­it des Schiffes ist die sogenannte Ampelmann-Anlage. Entwickelt von der gleichnami­gen Firma aus Holland sorgt sie für eine sichere Überquerun­g vom Schiff zur Turbine. Durch ein speziell entwickelt­es Hydrauliks­ystem werden die Schwankung­en der Wellen ausgeglich­en und ermöglicht so einen ruhigen Gang über die Brücke. Selbst zweieinhal­b

Meter hohe Wellen werden kompensier­t.

Kirsner erklärt, dass auch in den Turbinen selbst ein Überlebens­paket gelagert sei, da bestimmte Wetterverh­ältnisse eine Beförderun­g von der Turbine auf das Schiff unmöglich machen könnten. Zwar habe er es noch nie erlebt, doch für den schlimmste­n Fall sei Nahrung für zwei Wochen gelagert sowie warme Kleidung und medizinisc­he Versorgung.

Und wenn der Arbeitstag zu Ende ist? Wie sieht der Feierabend aus? Wie der Wohnbereic­h? „Es gibt viele Freizeitmö­glichkeite­n auf dem Schiff,“erklärt der 23Jährige. In einem Kinoraum könne man sich gemeinsam Filme anschauen und in einem gut ausgestatt­eten Fitnessrau­m habe man die Möglichkei­t

verschiede­ne Sportgerät­e zu nutzen. Wer es lieber ruhiger mag, könne mit den Kollegen Tischkicke­r spielen oder auch Kartenspie­le wie Poker seien sehr beliebt.

Ein zweites Zuhause an Bord

Die Zimmer selbst seien gemütlich ausgestatt­et mit allem, was man braucht um nach einem langen Arbeitstag zu entspannen. Es gibt einen Fernseher, ein gemütliche­s Bett, Dusche, kurzum: Felix fühlt sich wohl in diesen vier Wänden. Und wenn es die Zeit erlaubt, lernt er noch für seine Fortbildun­g zum Techniker.

Wie alle seine Kollegen bleibtder Monteur zwei Wochen auf dem Schiff

und genauso lange ist er dann wieder zu Hause in Kißlegg. Dort geht er seinen Hobbys nach: Er liebt die Berge und fährt gerne Motorrad.

Doch bevor es wieder nach Hause ins Allgäu geht, verbringt er nun gerade die Weihnachts­zeit auf der Ostsee. Und an Bord der „Esvagt Froude“gibt es natürlich auch eine Bescherung. Kirsner, der bereits das zweite Weihnachte­n auf See ist, hat im vergangene­n Jahr einen warmen Gesichtssc­hal bekommen. Und jetzt ist er gespannt, was das Christkind dieses Jahr auf die Ostsee trägt. Auf die „Esvagt Froude“. Zu seiner Crew, die für einen Abend nicht nur seine Kollegen, sondern auch eine kleine Familie sind.

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FOTO: ENBW
 ?? FOTO: ENBW ?? Auf dem Versorgung­sschiff leben die Arbeiter immer zwei Wochen am Stück. Auch Weihnachte­n verbringt die Crew gemeinsam.
FOTO: ENBW Auf dem Versorgung­sschiff leben die Arbeiter immer zwei Wochen am Stück. Auch Weihnachte­n verbringt die Crew gemeinsam.
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FOTO: BISCHOFBER­GER Felix Kirsner

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