Eislaufbahn als mögliches Terrorziel – Fahnder wussten früh Bescheid
Karlsruher Schlossplatz im Visier – 29-jähriger Verdächtiger sitzt in Haft
KARLSRUHE (dpa) - Die Rollläden im Erdgeschoss sind heruntergelassen, das Haus scheint verwaist. Nichts deutet auf die Durchsuchungen am Vortag hin. Hier, im gut bürgerlichen Karlsruhe-Rüppurr, soll ein Terrorverdächtiger gewohnt haben. Seit Mittwoch sitzt er in Haft. Vor dem Zugriff wurde er lange observiert. Die Bundesanwaltschaft wirft dem in Freiburg geborenen 29Jährigen vor, einen Anschlag auf die weihnachtliche Eisbahn am Karlsruher Schlossplatz geplant und die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) unterstützt zu haben.
Ein Terrorverdächtiger gleich nebenan? „Das ist schon erschreckend“, heißt es um die Ecke im Haushaltswarenladen, den Christiane Kölsch und Brigitte Oster betreiben. „Und man fragt sich: War der hier und hat eingekauft?“
Den Einsatz am Vortag hat niemand mitbekommen. Und gekannt hat den Mann hier, beim Bäcker, dem Optiker oder Zeitschriftenladen niemand. Aber die Frauen erinnern sich an „die Typen im Auto“, das im Sommer hier stand. Einer Angestellten vom Zeitschriftladen wenige Meter weiter waren sie so verdächtig, dass sie die Polizei angerufen hat. Die Beamten beruhigten. „Es waren verdeckte Ermittler“, sagt ihr Chef.
Standen die wegen des jetzt Festgenommenen da? Einen guten Blick hat man jedenfalls von hier auf das grüne Haus schräg gegenüber hinter der Straßenbahnlinie. Tatsächlich war der Mann – ein Deutscher mit irakischen Wurzeln – über längere Zeit intensiv observiert worden. Er galt als „Gefährder“. Nach Informationen der „Tagesschau“soll seine Wohnung verwanzt gewesen sein. Auf die Weise hätten die Fahnder mitbekommen, dass der Mann sich als Paketzusteller beworben habe.
Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der Mann unter anderem plante, mit einem Fahrzeug einen Anschlag auf die Stände rund um die Eisfläche auf dem Karlsruher Schlossplatz zu begehen – ähnlich wie vor einem Jahr Anis Amri, der das Attentat auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz mit zwölf Toten verübte. Fehler wie im Fall Amri sollten sich nicht wiederholen – die Sicherheitsexperten fuhren das volle Programm auf: „Da ist alles gemacht worden, was es gibt“, sagt einer. Erst recht, als der 29-Jährige seit Ende August die Örtlichkeiten rund um das Karlsruher Schloss auskundschaftete.
Wie lange der Gefährder in Karlsruhe-Rüppurr gewohnt hat, ist unklar. Unter den Klingelknöpfen hängt provisorisch ein weißer Zettel mit seinem Namen, ebenso am Briefkasten. Während der Mann am Donnerstag vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes angehört wird, herrscht dort, wo der Mann angeblich den Anschlag geplant hat, Normalbetrieb: An der Eisbahn drehen Dutzende Schlittschuhläufer ihre Runden. Zwei Polizisten haben den Platz vor der Eisfläche im Blick. Besucherin Isabella Zikofsky meint: „Natürlich ist man aufmerksamer.“
Nur durch enge Gassen erreichbar
Die Verkäufer in den Imbiss- und Getränkebuden an der Eisbahn nehmen es gelassen. Der Mann hinter dem Tresen einer Bude hält den Platz für sicher. Es sei immer Polizei in der Nähe, sagt er. Angst habe er nicht, erklärt ein junger Mann in einem Verkaufshäuschen und deutet auf den Platz: Wie solle denn da jemand mit einem Auto einen Anschlag verüben?
Tatsächlich ist der Schlossplatz wenige Schritte von der Fußgängerzone nur durch enge Gassen zu erreichen. Anders als beim einige Hundert Meter entfernten Weihnachtsmarkt stehen so auch keine schweren Absperrungen auf den Straßen. Dort erinnert ein Kranz an die Opfer des Anschlags von Berlin.