Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ihr Bekenntnis gilt seit 1897 den Arbeiterre­chten

Wurzeln der KAB Memmingen reichen 120 Jahre zurück – Sie gehört zu den ältesten Ortsgruppe­n in der Diözese

- Von Verena Kaulfersch

MEMMINGEN - Stadtpfarr­er Max Rippler nimmt sich Betriebe und Arbeitgebe­r ordentlich zur Brust. Kritisiert sie für „Zuwiderhan­dlung der göttlichen Gebote“und „SonntagsEn­theiligung“. So geschehen im November 1897. Knapp zwei Monate zuvor hat sich der Katholisch­e Arbeiterve­rein Memmingen gegründet und Rippler als Präses zu seinem Leiter gemacht.

Inzwischen ist das 120 Jahre her, das Anliegen des Vereins – seit 1971 heißt er Katholisch­e Arbeitnehm­erbewegung (KAB) – ist so aktuell wie damals. Als kürzlich diskutiert wurde, ob Geschäfte zu Heiligaben­d am Sonntag öffnen sollten, war die Haltung der KAB klar. „Der Sonntagssc­hutz war und ist ein wichtiges Thema für uns. Mit ihm würde auch ein Stück Kultur zugrunde gehen“, sagt Ortsvorsit­zender Gerd Zettler.

Seit jeher will die KAB nach seinen Worten Ziele im Sinne der katholisch­en Soziallehr­e verwirklic­hen und versteht sich als Bindeglied zwischen Kirche und Arbeitswel­t. Dem Gründungsv­orstand gehörten so unter anderem ein Stationsta­glöhner, ein Gerber, ein Maurerpoli­er und ein Weber an. Einen ersten Schritt, um die Situation der Arbeiter zu verbessern, gab es 1897: Der Verein schuf eine Krankenund eine Sterbekass­e – ab 1901 auch für Frauen. Zwei Jahre später folgte laut Zettler ein Wohlfahrts­verband, der „Gebrauchsg­üter wie Kartoffeln, Kohle oder Holz in großen Mengen kaufte und günstiger an Mitglieder abgab“.

Aus akuten Krisen helfen

Wer heute in Not gerate, weil er etwa Kosten für Miete, Strom und Wasser nicht mehr bezahlen kann, findet laut Zettler Unterstütz­ung bei der „Christlich­en Arbeiter-Hilfe“des KAB Kreisverba­nds MemmingenU­nterallgäu. Zuerst gehe es darum, aus der akuten Krise herauszuhe­lfen. „Dann versuchen wir zu unterstütz­en, damit das Leben in geregelte Bahnen kommt.“Anlaufstel­le ist das Zentrum des KAB-Kreisverba­nds, das gerade Räume in der Waldhornst­raße 20 bezogen hat.

Heimat des Memminger Ortsverein­s war lange Zeit das Areal beim Ulmer Tor: zuerst im Saal der Gaststätte „Zur Burg“, bei dessen Bau der Arbeiterve­rein zwischen 1904 und 1906 mitangepac­kt hatte, ab den Achtzigerj­ahren dann im Kolbe-Haus. Dort veranstalt­ete die KAB beispielsw­eise Podiumsdis­kussionen mit Stadtratsk­andidaten, denn seit jeher bringt sie sich bei politische­n Diskursen ein. Zettler erinnert sich etwa an eine Aktion Mitte der Achtzigerj­ahre. Um auf ihre Forderung „Rente für Mütter“aufmerksam zu machen, verteilte die KAB auf der Straße Windeln.

Auch vor der Filiale des SchleckerD­rogeriemar­kts in der Kramerstra­ße und vor dem Dehner-Gartencent­er bezog die KAB laut Zettler in der Vergangenh­eit Posten, um gegen „prekäre Arbeitsver­hältnisse“zu protestier­en. Dabei stand sie Zettler zufolge oft mit dem Deutschen Gewerkscha­ftsbund Seite an Seite. Dies gilt auch am Tag der Arbeit – vor den Kundgebung­en am 1. Mai ist die KAB zudem mit dem Arbeitnehm­ergottesdi­enst in Firmen zu Gast.

Die Geselligke­it, die von Anfang an dazugehört­e, hält die KAB hoch: etwa durch Ausflüge, Feste und die Theatergru­ppe. Doch während die Chronik für 1898 von 200 Mitglieder­n berichtet, sind es heute etwa 110 – mit einem Durchschni­ttsalter zwischen 65 und 70 Jahren. „Wir haben keinen Mitglieder­schwund, aber auch keinen Zuwachs.“Als einen Faktor sieht Zettler, dass der Bezug zur Kirche schwinde. Weil es ihnen gut gehe, machten sich viele Menschen zudem keine Gedanken über Anliegen, welche die KAB vertrete.

Zeitweise zählte Memmingen vier Ortsgruppe­n. Inzwischen ist es wie zu Beginn eine – die KAB Memmingen, die heute laut Zettler zu den ältesten Ortsgruppe­n in der Diözese gehört. Auch Sorgen und Nöte ähnelten den Anfangszei­ten, meint Zettler. Entmutigt ist er nicht: „Solange man die Kraft hat, dagegen zu kämpfen, muss man das tun.“

 ?? REPRO: STADTARCHI­V MEMMINGEN ?? Auf 120 Jahre blickt die Katholisch­e Arbeitnehm­erbewegung Memmingen zurück, die als Katholisch­er Arbeiterve­rein gegründet wurde. Das Foto zeigt Stadtpfarr­er Max Rippler, der als erster Präses die Leitung innehatte.
REPRO: STADTARCHI­V MEMMINGEN Auf 120 Jahre blickt die Katholisch­e Arbeitnehm­erbewegung Memmingen zurück, die als Katholisch­er Arbeiterve­rein gegründet wurde. Das Foto zeigt Stadtpfarr­er Max Rippler, der als erster Präses die Leitung innehatte.

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