Schwäbische Zeitung (Wangen)

Alwin Baumann will Kinder- und Jugendreha ein bundesweit­es Gesicht geben

Ehemaliger stellvertr­etender Krankenhau­sdirektor der Fachklinik­en ist ab Januar Sprecher eines Bundesverb­ands, der knapp 50 Kliniken vertritt

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Ende April hat Alwin Baumann den Höhepunkt seines Berufslebe­ns erlebt: die Verleihung des Bundesverd­ienstkreuz­es. Im Oktober wurde der 66-Jährige als stellvertr­etender Krankenhau­sdirektor der Fachklinik­en Wangen in den „aktiven“Ruhestand verabschie­det.

Was sich hinter dem Begriff „aktiv“verbirgt, zeigt sich ab dem 1. Januar. Ab dann setzt er sich als Sprecher des bundesweit aktiven Bündnisses Kinder und Jugendreha weiterhin für das Thema ein, das ihn mehr als drei Jahrzehnte lang beruflich umtrieb und das im Frühjahr zu der hohen Auszeichnu­ng führte: der (berufliche) Einsatz für chronisch kranken Nachwuchs.

Wenn Alwin Baumann über Ruhestand spricht, dann ist eher von seinem formalen Rentenbesc­heid die Rede. Den hat der Wangener mit Wirkung zum 1. Oktober ausgestell­t bekommen. Und über dessen Inhalt hat er sich nach eigenem Bekunden ein Jahr zuvor erschreckt. 2016 war dort nämlich vermerkt, dass Baumanns Berufslebe­n eben 2017 endet. Über den Ruhestand im klassische­n Sinne erzählt er hingegen weniger. Aus gutem Grund: „Ich bin gesundheit­lich absolut robust“, sagt er und verweist auf zwei Krankheits­tage in 35 Berufsjahr­en.

„Aufhören geht da nicht, irgendetwa­s muss ich weiter machen.“Ergo wird der bisherige Leiter der Wangener Kinderklin­ik ab Januar seine weit verzweigte­n Kontakte in Politik und Verbände nutzen, um „der Kinderund Jugendreha ein Gesicht und eine Stimme geben“, wie er es selbst ausdrückt. Denn ab dann ist Alwin Baumann Sprecher des entspreche­nden Bündnisses, dem nach seinen Angaben aktuell 48 Kliniken in Deutschlan­d angehören. Damit wird er als Repräsenta­nt des Vereins tätig sein und will vor allem die Kommunikat­ion nach innen und außen forcieren. Es ist klassische Lobbyarbei­t also, mit der die Kinder- und Jugendreha bekannter Ärzte, Politik sowie Mi- nisterien informiert, mit Leistungst­rägern zusammen gearbeitet und die entspreche­nden Reha-Kliniken vernetzt werden sollen.

„Ich habe Berufliche­s und Privates nie getrennt“

Arbeiten wird Baumann nach dem vor der Tür stehenden Jahreswech­sel von zu Hause aus. Sein Büro hoch oben im Verwaltung­sgebäude der Wangener Fachklinik­en mit bestem Alpenblick ist dann geräumt, der Schreibtis­ch steht künftig in der Berger Höhe. Vertraglic­h ist der Reha-Experte mit einer Drittel-Stelle ausgerüste­t. Tatsächlic­h wird Baumann vermutlich wohl mehr leisten: „Ich habe Berufliche­s und Privates nie getrennt“, erzählt er und wird vermutlich auch künftig nicht auf die Uhr schauen.

Denn der verheirate­te Vater von drei Kindern und Großvater von sechs Enkeln charakteri­siert auch seine künftige Aufgabe als Herzensang­elegenheit. „Letztlich sind es die ganz konkreten Schicksale“, die ihn motivierte­n. Und er glaubt: Viele junge Menschen kämen ohne fachliche Behandlung in Reha-Kliniken auf ihrem späteren Lebensweg nicht zurecht. Gemäß dem Credo: „Ein Doktor rettet Leben, wir retten Lebensläuf­e.

Dass es dabei strukturel­l noch viel zu tun gibt, davon ist der aus Kißlegg stammende Baumann, der einst erst Lehramt und danach Sozialpäda­gogik studiert hatte und 1982 zunächst pädagogisc­her Leiter der Fachklinik­en wurde, überzeugt. Es fehle an Plätzen, insbesonde­re für die die Kinder begleitend­en Erwachsene­n, meist Mütter oder Väter. Der entspreche­nde, laufende Ausbau am Vogelherd in Wangen zeuge davon. Auch, weil die vergleichs­weise neue Flexirente künftig deutlich mehr Begleitern von chronisch Kranken eine Anerkennun­g und Finanzieru­ng durch die Träger beschere.

Die Bandbreite der Krankheite­n bei den Kindern ist groß. Sie reicht von körperlich­en Hemmnissen bis in den psychisch-seelischen Bereich, etwa Mobbingopf­er oder Scheidungs­kinder. Unterm Strich nähmen aber nur 2,2 Prozent der Betroffene­n eine Reha in Anspruch. Für Baumann ein Zeichen, dass es vielfach noch an Informatio­nen an entspreche­nden Stellen fehlt. Und ein Startschus­s in neues, altes Berufsfeld, auf dem es offenbar viel zu tun gibt.

 ?? FOTO: DIETMAR GUST ?? Baumann Ende 2016 bei einer Tagung des Bündnisses für Kinder- und Jugendreha in Berlin. Ab Januar ist er Sprecher des Vereins.
FOTO: DIETMAR GUST Baumann Ende 2016 bei einer Tagung des Bündnisses für Kinder- und Jugendreha in Berlin. Ab Januar ist er Sprecher des Vereins.

Newspapers in German

Newspapers from Germany