Kranker soll in vermüllter Wohnung gesunden
Helfer üben Kritik an rechtlicher Betreuerin
BAD WALDSEE - Dieses Weihnachtsfest wird der schwerkranke Helmut W. aus Bad Waldsee so schnell wohl nicht vergessen. Einerseits muss der körperlich gebeutelte Mann große Schmerzen ertragen und fühlt sich vom Gesundheitssystem im Stich gelassen. Andererseits erfährt er aktuell freiwilligen Zuspruch, Unterstützung und Solidarität mitten aus der Gesellschaft. Es ist ein kleines Weihnachtsmärchen – mit offenem Ende.
Zur Situation: Der Rentner hat am ganzen Körper Ekzeme und seine 20Quadratmeter-Wohnung gleicht einer Müllkippe. Die Küche ist überzogen von Dreck und Schimmel, sein Bettlaken ist übersät mit Blutflecken und Eiter. Er selbst kann sich nicht helfen, ihm wurde eine rechtliche Betreuerin zugewiesen. Um gleichwohl eine rasche Verbesserung der widrigen Umstände herbeizuführen, haben sich über die Weihnachtstage Privatpersonen zusammengeschlossen und eigeninitiativ Spenden gesammelt und ein Treuhandkonto eingerichtet.
„Es ist ein Skandal, eine menschliche Tragödie. So dürfte nicht einmal ein Nutztier gehalten werden“, beschreibt Horst Fallenbeck die Wohnsituation vor Ort. Zufällig begleitete er Kai Scherrn vom zuständigen Pflegedienst am 23. Dezember und beide waren sich einig: „Das ist kein Zustand.“Fallenbeck machte in einem sozialen Netzwerk auf die aktuelle Situation des Mannes aufmerksam und entfachte damit eine Welle der Solidarität. Etliche Spenden gingen und gehen ein. Um der Hilfsbereitschaft Herr zu werden, teilten die Helfer die Aufgaben unter sich auf. Die Sachspenden verwaltet Brigitte Eitler. Für die Spendengelder führt Birgit Falter ein Treuhandkonto.
Weiterhin werden Verbandsmaterial und Geldspenden benötigt, betonen die freiwilligen Helfer. Pro Monat würden allein rund 2000 Euro an Verbandsmaterial fällig. Und diese Verbände müsste W. selbst bezahlen, die Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht, verdeutlicht Scherrn. Das benötigte Geld hat der Rentner, der von Hartz IV abhängig ist, aber nicht. „Es geht mir schlecht. Und wenn man merkt, dass es nicht bes- ser wird, verliert man irgendwann die Hoffnung“, sagt W. und verzieht vor Schmerzen sein Gesicht. Einen Hoffnungsschimmer hätten ihm die Helfer mit ihrem Einsatz aber zurückgegeben.
Friedrich Nold, ehemaliger Chefarzt im Jordanbad, untersuchte W. am Mittwoch ehrenamtlich. Seine Diagnose: „Ein superinfiziertes, juckendes Ekzem – ausgeprägt am ganzen Körper. Der Mann gehört ins Krankenhaus, aber nicht nur für drei Tage.“Für Nold stellt W’s Beispiel ein Systemversagen dar. Die Kliniken müssten positiv wirtschaften, entließen Patienten zu früh. „Früher hätte es das nicht gegeben“, verdeutlicht Nold und ergänzt mit Blick auf das verdreckte Zimmer: „Der Mann ist nicht verwahrlost, sondern hilflos.“Für die Heilung der offenen Wunden sei das enge, keimbelastete Zimmer jedenfalls nicht förderlich.
Das bestätigt Scherrn: „Der Keimdruck muss runter. Er hat viele Stellen, die immer wieder re-infiziert werden.“Als Lösung des Problems sehen die Helfer zwei Möglichkeiten. Entweder W. zieht in eine neue Wohnung oder seine aktuelle Bleibe muss unverzüglich komplett gereinigt, von Ungeziefer befreit und neu eingeräumt werden. „Die Inneneinrichtung ging an Spenden bereits ein“, erklärt Fallenbeck. Er kontaktierte außerdem die Stadt Bad Waldsee und wendete sich an die ehemalige Sozialamtsleiterin Gerlinde Buemann. Sie gab das Szenario an den Fachbereich Sicherheit, Ordnung und Soziales weiter und sagte Fallenbeck Unterstützung zu. So werde beispielsweise der Kontakt zu einem Reinigungsexperten und Schädlingsbekämpfer hergestellt. Eine neue Wohnung sei aber auch für die Stadt schwer ausfindig zu machen, so Buemann. Dennoch hoffen die Unterstützer auf eine neue 1,5-ZimmerWohnung für W..
Mann kennt Betreuerin nicht
Indes kritisieren die Helfer die rechtliche Betreuerin. Seit Dezember ist der Mann einer Betreuerin zugeordnet, die W. – wie er selbst sagt – noch kein einziges Mal gesehen hat und folglich nicht kennt. Über die Weihnachtsfeiertage sei sie nicht erreichbar gewesen. Obwohl sein Konto von der Betreuerin verwaltet werde. „Der Mann wird nicht so betreut, wie es das Gesetz vorschreibt“, machen Fallenbeck und Nold ihrem Ärger Luft. Exemplarisch nennen sie den leeren Kühlschrank, den sie am 23. Dezember ohne Lebensmittel vorgefunden haben. Also kauften die Helfer ihm kurzerhand Lebensmittel. „Man kann den Mann nicht einfach so zurücklassen, das geht doch nicht“, bemängeln die Helfer die Leistung der Betreuerin.
Auf SZ-Nachfrage wollte die Betreuerin am Mittwoch keine Auskunft zum Fall geben.
Weitere Unterstützer und Spender können sich an Horst Fallenbeck wenden: