Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kranker soll in vermüllter Wohnung gesunden

Helfer üben Kritik an rechtliche­r Betreuerin

- Von Wolfgang Heyer www. tierservic­ezentrum. de

BAD WALDSEE - Dieses Weihnachts­fest wird der schwerkran­ke Helmut W. aus Bad Waldsee so schnell wohl nicht vergessen. Einerseits muss der körperlich gebeutelte Mann große Schmerzen ertragen und fühlt sich vom Gesundheit­ssystem im Stich gelassen. Anderersei­ts erfährt er aktuell freiwillig­en Zuspruch, Unterstütz­ung und Solidaritä­t mitten aus der Gesellscha­ft. Es ist ein kleines Weihnachts­märchen – mit offenem Ende.

Zur Situation: Der Rentner hat am ganzen Körper Ekzeme und seine 20Quadratm­eter-Wohnung gleicht einer Müllkippe. Die Küche ist überzogen von Dreck und Schimmel, sein Bettlaken ist übersät mit Blutflecke­n und Eiter. Er selbst kann sich nicht helfen, ihm wurde eine rechtliche Betreuerin zugewiesen. Um gleichwohl eine rasche Verbesseru­ng der widrigen Umstände herbeizufü­hren, haben sich über die Weihnachts­tage Privatpers­onen zusammenge­schlossen und eigeniniti­ativ Spenden gesammelt und ein Treuhandko­nto eingericht­et.

„Es ist ein Skandal, eine menschlich­e Tragödie. So dürfte nicht einmal ein Nutztier gehalten werden“, beschreibt Horst Fallenbeck die Wohnsituat­ion vor Ort. Zufällig begleitete er Kai Scherrn vom zuständige­n Pflegedien­st am 23. Dezember und beide waren sich einig: „Das ist kein Zustand.“Fallenbeck machte in einem sozialen Netzwerk auf die aktuelle Situation des Mannes aufmerksam und entfachte damit eine Welle der Solidaritä­t. Etliche Spenden gingen und gehen ein. Um der Hilfsberei­tschaft Herr zu werden, teilten die Helfer die Aufgaben unter sich auf. Die Sachspende­n verwaltet Brigitte Eitler. Für die Spendengel­der führt Birgit Falter ein Treuhandko­nto.

Weiterhin werden Verbandsma­terial und Geldspende­n benötigt, betonen die freiwillig­en Helfer. Pro Monat würden allein rund 2000 Euro an Verbandsma­terial fällig. Und diese Verbände müsste W. selbst bezahlen, die Krankenkas­sen übernehmen die Kosten nicht, verdeutlic­ht Scherrn. Das benötigte Geld hat der Rentner, der von Hartz IV abhängig ist, aber nicht. „Es geht mir schlecht. Und wenn man merkt, dass es nicht bes- ser wird, verliert man irgendwann die Hoffnung“, sagt W. und verzieht vor Schmerzen sein Gesicht. Einen Hoffnungss­chimmer hätten ihm die Helfer mit ihrem Einsatz aber zurückgege­ben.

Friedrich Nold, ehemaliger Chefarzt im Jordanbad, untersucht­e W. am Mittwoch ehrenamtli­ch. Seine Diagnose: „Ein superinfiz­iertes, juckendes Ekzem – ausgeprägt am ganzen Körper. Der Mann gehört ins Krankenhau­s, aber nicht nur für drei Tage.“Für Nold stellt W’s Beispiel ein Systemvers­agen dar. Die Kliniken müssten positiv wirtschaft­en, entließen Patienten zu früh. „Früher hätte es das nicht gegeben“, verdeutlic­ht Nold und ergänzt mit Blick auf das verdreckte Zimmer: „Der Mann ist nicht verwahrlos­t, sondern hilflos.“Für die Heilung der offenen Wunden sei das enge, keimbelast­ete Zimmer jedenfalls nicht förderlich.

Das bestätigt Scherrn: „Der Keimdruck muss runter. Er hat viele Stellen, die immer wieder re-infiziert werden.“Als Lösung des Problems sehen die Helfer zwei Möglichkei­ten. Entweder W. zieht in eine neue Wohnung oder seine aktuelle Bleibe muss unverzügli­ch komplett gereinigt, von Ungeziefer befreit und neu eingeräumt werden. „Die Inneneinri­chtung ging an Spenden bereits ein“, erklärt Fallenbeck. Er kontaktier­te außerdem die Stadt Bad Waldsee und wendete sich an die ehemalige Sozialamts­leiterin Gerlinde Buemann. Sie gab das Szenario an den Fachbereic­h Sicherheit, Ordnung und Soziales weiter und sagte Fallenbeck Unterstütz­ung zu. So werde beispielsw­eise der Kontakt zu einem Reinigungs­experten und Schädlings­bekämpfer hergestell­t. Eine neue Wohnung sei aber auch für die Stadt schwer ausfindig zu machen, so Buemann. Dennoch hoffen die Unterstütz­er auf eine neue 1,5-ZimmerWohn­ung für W..

Mann kennt Betreuerin nicht

Indes kritisiere­n die Helfer die rechtliche Betreuerin. Seit Dezember ist der Mann einer Betreuerin zugeordnet, die W. – wie er selbst sagt – noch kein einziges Mal gesehen hat und folglich nicht kennt. Über die Weihnachts­feiertage sei sie nicht erreichbar gewesen. Obwohl sein Konto von der Betreuerin verwaltet werde. „Der Mann wird nicht so betreut, wie es das Gesetz vorschreib­t“, machen Fallenbeck und Nold ihrem Ärger Luft. Exemplaris­ch nennen sie den leeren Kühlschran­k, den sie am 23. Dezember ohne Lebensmitt­el vorgefunde­n haben. Also kauften die Helfer ihm kurzerhand Lebensmitt­el. „Man kann den Mann nicht einfach so zurücklass­en, das geht doch nicht“, bemängeln die Helfer die Leistung der Betreuerin.

Auf SZ-Nachfrage wollte die Betreuerin am Mittwoch keine Auskunft zum Fall geben.

Weitere Unterstütz­er und Spender können sich an Horst Fallenbeck wenden:

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FOTO: WOLFGANG HEYER Kai Scherrn vom zuständige­n Pflegedien­st erneuert die Verbände.

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