Zuhörer werden mit sakraler Musik reich beschenkt
Friedrich-Wilhelm Möller dirigiert in Wangen das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach
WANGEN - Es waren die Kantaten I, II, III und VI, die in der St. Martinskirche zu hören waren. Rund 120 von Friedrich-Wilhelm Möller dirigierte Mitwirkende aus dem Wangener Oratorienchor und dem Barockorchester La Banda aus Augsburg, dazu vier Solisten, begeisterten und bewegten am Freitagabend in gleicher Weise die Zuhörer.
Wenn sich auch vieles über die Jahre abnutzt, das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach gehört nicht dazu. Dieses Werk trotzt den rauen Zeitströmungen wie ein schön geschliffener Edelstein. Wer das Oratorium von Kindheit an kennt, dem wird es zum Hort der Geborgenheit. Mehr noch. Es vermag einen Schalter umzulegen. Der Stress fällt ab, Feststimmung und Besinnlichkeit machen sich breit.
Wenn dann auch noch auf originalgetreuen Instrumenten gespielt wird, die vier Solisten einen guten bis sehr guten Eindruck hinterlassen und sich vor allem der Chor so strahlend und so homogen wie selten präsentiert, dann kann man ohne Übertreibung von einem Geschenk sprechen. Dann kehren verloren geglaubte Gefühle zurück.
Schon der erste Paukenschlag traf mitten ins Herz. Silberstrahlen schmetterten die Trompeten, die Violinen vermittelten ein Rauschen aus himmlischen Höhen. Mit „Jauchzet, frohlocket!“wird die Geburt Jesu Christi verkündet. Mit frischem Tempo lässt Friedrich-Wilhelm Möller seinen wohldisponierten Chor die Weihnachtsfreude übermitteln. Die froh machende Botschaft heißt: Der große Gott mach sich ganz klein und kommt als in einem Stall geborenen Kind zu den Menschen.
Schon einst Seelen-Balsam
Im weiteren Verlauf können die Arien, Rezitative und Choräle luftigtransparent und feingliedrig in seine Einzelstimmen und kontrapunktischen Verflechtungen aufgefächert wahrgenommen werden. So gelingt es auch, sich in das von Erdenschwere begleitete tägliche Leben der Leipziger Bevölkerung der Jahre 1734/35 hineinzudenken. Der beglückende Klang von Schalmeien, Zinken und Theorben, umrahmt von obertonreichen Naturtrompeten, muss auf die Kirchgänger, die die Uraufführungen der Kantaten an den sechs Weihnachtsfeiertagen hörten, wie Balsam auf die geschundene Seele gewirkt haben.
Mit dem bekannten Text des Rezitativs „Es begab sich aber zu der Zeit“begann die Erzählung der Heilsgeschichte. Vorgetragen wurde sie von einem sensiblen und gut verständlich singenden Evangelisten Christian Rathgeber, die gelungene Hirtenarie „Frohe Hirten, eilet“zeugte von dessen stimmlichen Möglichkeiten und interpretatorischen Fähigkeiten. Der Bass Manfred Bittner überzeugte mit seiner noblen, klangvoll geführten Stimme, die er in der St. Martinskirche zu starker Deklamation zu nutzen wusste.
Fesselnde Interpretation
Mit ihrem feinen, klaren Sopran zeichnete Katrin Müller wunderschöne melodische Linien, die sie mit flinken, besonders freudig gesungenen Koloraturen schmückte. Altistin Judith Ritter ließ besonders aufhorchen, als sie zusammen mit einer wundervoll gespielten Geige die Arie „Schließe, mein Herze“zu einem Höhepunkt ihrer Soli machte.
Die fesselnde Interpretation des Chors gab der Freude in Jubelchorsätzen ebenso Raum wie den leisen, innigen Tönen. Wenn beispielsweise der Choral „Wie soll ich dich empfangen“, für den der Thomaskantor Bach den Passionschoral „O Haupt voll Blut und Wunden“verwendet hatte, schon den Kreuzestod Jesu anklingen lässt. Ein Chor-Höhepunkt, weil rundum perfekt und kraftvoll, war zudem der Vortrag von „Ich steh an deiner Krippen hier“.
Noch ein Wort zum Orchester. Die Streicher erwiesen sich besonders in den Rezitativen und Arien als aufmerksame und flexible Begleiter. Insbesondere mit und nach der „Sinfonia“, der sogenannten Hirtenmusik zu Beginn der zweiten Kantate, ließ „La Banda“Bachs Musik melodisch charaktervoll das Kirchenschiff fluten. Von den Instrumentalsolisten müssen die drei prächtig schmetternden Trompeten hervorgehoben werden. Wie die empfindsamen, stilsicheren Flötensoli. Die gefühlvoll gespielte Oboe erinnerte an Engelsmusik.