Der Kräftebündler
Für Werner Schuster ist die Tournee 2017/18 die zehnte als Skisprung-Bundestrainer – Innere Ruhe, ganzheitlicher Blick
INNSBRUCK - Zeitensprung: Die Vierschanzentournee 2008/09 gewann der Österreicher Wolfgang Loitzl; den Deutschen Skiverband repräsentierten Martin Schmitt als Vierter, Michael Neumayer als Zehnter und Michael Uhrmann als Zwölfter des Gesamtklassements am nachdrücklichsten. Als Bundestrainer hatte erstmals der Mann das Sagen, der 2017/18 seine zehnte (!) Tournee in sportlicher Verantwortung für die deutschen Skispringer erlebt: Werner Schuster. Im April 2008 war der Kleinwalsertaler vom DSV als Nachfolger des Isnyers Peter Rohwein vorgestellt worden, angetreten ist er mit durchaus ambitioniertem Ziel: „Ich möchte den Athleten helfen, einen Schritt weiterzukommen. Sollte ich diese Energie nicht mehr spüren, wäre das ein Grund zum Aufhören.“
Es steht zu vermuten, dass die Energie noch da ist. Werner Schuster jedenfalls ist noch Bundestrainer, Richard Freitag (in den jüngsten neun der zehn Schuster-Winter dabei) sprang bis zu seinem Sturz am Donnerstag in der Form seines Lebens, die Schritte eines Andreas Wellinger, eines Markus Eisenbichler, Karl Geiger, Stephan Leyhe und, und, und haben vorwärts-, aber noch nicht ans Ende des (Entwicklungs-)Weges geführt. Generationswechsel, glückend! Werner Schuster weiß das, geht in seinem Tun auf: „Im Moment bin ich mit einer guten Aufgabe beschäftigt, die mich aus- und erfüllt.“
Einer Aufgabe, für die alle fachliche Qualifikation besitzt, wer sein Studium (Sport, Psychologie) mit einer Arbeit über „Sportartgerichtetes Vielseitigkeitstraining als Leitprinzip für die koordinativ-technische Ausbildung im Schispringen“abgeschlossen hat. Da braucht er selbst kein überragender Skispringer gewesen zu sein. Wichtiger ist eine hohe soziale Kompetenz. Sie half Werner Schuster, Verhärtungen aufzuweichen, zu überzeugen, als er die zuvor recht zerstrittenen Stützpunkte auf (s)eine Linie brachte. Ausbildung wird seitdem in Hinterzarten nicht anders betrieben als in Oberstdorf; das System ist durchlässig, auch von unten nach oben. Siehe Pius Paschke: bayerischer Landeskader eigentlich – und doch, nach starkem Sommer, jetzt im Weltcup.
Leistung zählt, da ist der Trainer Schuster verlässlich, berechenbar. „Er spielt uns nichts vor“, sagte Richard Freitag in Oberstdorf, „er denkt nicht etwas anderes, als er nach außen vorgibt.“Dieses Authentische schätzen die Sportler an Werner Schuster. Auch. Eine andere Stärke des 48-Jährigen sei es, so Richard Freitag, „alles immer wieder so zu sortieren, einfach die Kräfte im Team so zu bündeln, dass du wirklich aus jedem Einzelnen das Maximum rausholen kannst. Dass jeder Sportler sich wirklich 100 Prozent rausziehen, sich wohlfühlen kann.“Und, ergänzt Andreas Wellinger, „sich zu 100 Prozent auf das Entscheidende konzentrieren kann: auf seinen Körper und das Training. Sonst könnten wir nicht auf dem Niveau springen und möglichst weit unten ’nen Telemark setzen.“
Sehr geordnet
Trainer anno 2018 müssen ja auch immer mal wieder Entert(r)ainer sein. In der Öffentlichkeit hat sich Werner Schuster in Zeiten, als der Telemark weiter oben die Regel war, stets vor seine Springer gestellt. Jetzt, da der Flow da ist, da es läuft, bemüht er sich, Fragen „auch sehr seriös“zu beantworten. „Schubladisierungen“sind Werner Schuster da zu kurz gedacht, ein weiter Sprung sei stets „ganzheitlich“zu sehen, über Richard Freitags Entwicklung kann Werner Schuster durchaus eine Viertelstunde – druckreif! – referieren. ZDF-Experte Toni Innauer kennt den Landsmann schon lange. „Werner“, weiß er, „strahlt eine innere Ruhe aus, weil er für sich sehr geordnet ist, sehr nüchtern analysieren kann und die Dinge pragmatisch und sachlich darstellt.“
Zehn Tourneen, so viele wie einst Amtsvorvorvorgänger Reinhard Heß. Werner Schusters Vertrag mit dem Deutschen Skiverband endet nach der Nordischen WM 2019 in Seefeld. Die Frage nach dem „Danach“stellt sich fünf Wochen vor Olympia noch nicht. „Das Projekt in Deutschland“, hat Werner Schuster unlängst erst gesagt, „war mutig. Aber es hat sich rentiert.“
Was er auch gesagt hat: „Ich bringe Dinge immer zu Ende – das bin ich.“