„Plastik nicht generell verteufeln“
Kemptener Wissenschaftler erklärt, warum Lebensmittel-Verpackungen oft aus vielen Schichten bestehen
KEMPTEN - Niemand möchte ranzige Butter, labbrige Chips oder klumpige Tütensuppe essen. Ob die Qualität erhalten bleibt, hängt vor allem von der Verpackung ab. Je nach Lebensmittel, sind die Tüten, Folien und Kartons unterschiedlich beschaffen und bestehen meist aus mehreren Schichten, erklärt Andreas Haas, Mitarbeiter des Kompetenzzentrums für angewandte Forschung in der Lebensmittel- und Verpackungstechnologie (Klevertec) in Kempten. Solche Verbundverpackungen haben aber auch einen entscheidenden Nachteil: Sie können nur schlecht recycelt werden und landen meist in Verbrennungsanlagen. Doch gibt es Alternativen? Und warum sind die verschiedenen Schichten notwendig?
Zunächst einmal rät Haas, Verbundverpackungen ebenso wie Plastik und Aluminium nicht generell zu verteufeln. Denn letztlich gehe es um die Haltbarkeit von Lebensmitteln, die ohne die entsprechenden Verpackungen schneller verderben und im Müll landen. „Je genauer das Mindesthaltbarkeitsdatum definiert wird, desto länger kann das Produkt im Regal stehen und vom Kunden gekauft werden“, sagt Haas. Dabei seien die Materialien Plastik und Alu häufig nicht zu ersetzen. Es gebe zwar kompostierbare Kunststoffe, die seien aber noch sehr teuer und die Forschung dafür stecke in den Kinderschuhen.
Licht hat Einfluss auf Verderbsprozesse
Vereinfacht gesagt, kommt es bei Verpackungen auf die Frage an: Was schadet dem Lebensmittel? Soll zum Beispiel der Fettverderb verhindert werden, ist es wichtig, dass kein Sauerstoff in die Verpackung gelangt, erläutert die wissenschaftliche Leiterin bei Klevertec, Regina Schreiber (Hochschule Kempten). Gleichzeitig habe Licht einen großen Einfluss auf Verderbsprozesse. Bei trockenen Lebensmitteln müsse zudem die Wasserdampfbarriere hoch sein.
So hat eine Verpackung viele verschiedene Aufgaben und besteht oft aus fünf bis zehn Schichten, sagt Haas. Aluminium ist dabei eine Art Allround-Talent. „Es hält alles ideal ab“, sagt Schreiber. Der große Nachteil: Es ist in der Herstellung sehr energieintensiv und dadurch umweltschädlich. Folien und Kunststoffe dienen als Alternative. Um Licht abzuhalten, wird aber häufig Alu verwendet, etwa in H-Milch-Tüten, erläutert Haas. Denn Milchprodukte bekommen durch Lichteinfluss einen sogenannten Licht-Geschmack. Das heißt, durch Beleuchtung verändert beispielsweise ein Joghurt seinen Geschmack und die Farbe – „Er wird heller und bekommt eine ranzige Note“, sagt Haas.
Wann verderben Milchprodukte?
Das und weitere Einflüsse auf Milchprodukte untersuchen die Wissenschaftler bei Klevertec. Dabei steht das Thema Müllvermeidung zwar nicht an erster Stelle, sagt Haas. Indirekt könne die Forschung aber genau das bewirken. Im Fokus stehe jedoch das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD). Haas und seine Kollegen untersuchen die Verderblichkeit von Milchprodukten in unterschiedlichen Verpackungen und unter verschiedenen Bedingungen – etwa bei hohen und niedrigen Temperaturen, im Dunkeln und bei Beleuchtung.
Dadurch soll künftig das MHD anhand von verschiedenen Parametern exakter berechnet werden können. Derzeit gehen Hersteller und der Handel beim Festlegen des MHD auf Nummer sicher, um Reklamationen zu vermeiden, sagt Haas. In den meisten Fällen sei das Produkt aber noch einige Wochen nach Ablauf des MHD verzehrbar. Da sich Verbraucher aber oft unsicher sind, landen die Lebensmittel im Müll. Mit einem exakteren MHD soll das vermieden werden.
Durch die Forschungsergebnisse lassen sich laut Haas auch Rückschlüsse auf die Verpackungen ziehen. Man könne den Herstellern Empfehlungen an die Hand geben, wie sie ihr Produkt beispielsweise besser vor Licht oder Sauerstoff schützen können. Das könne auch dazu führen, dass die Verpackung reduziert und Müll vermieden wird.
Letztlich habe die Verpackung aber auch viel mit Marketing, Image und den Vorlieben des Kunden zu tun, sagt Haas und nennt als Beispiel die Getränke-Dose, die komplett aus Alu besteht. Viele Verbraucher würden einfach gern aus der Dose trinken und mögen das produktspezifische Zischen beim Öffnen der Dose. Auch deshalb verschwinde sie nicht aus dem Regal.