Ein vorlautes Beuteltier übt bissige Systemkritik
Burghofbühne Dinslaken bringt die „Känguru-Chroniken“auf die Bühne der Wangener Stadthalle
WANGEN - Bissig, liebevoll ironisch, witzig und pointiert übt es mit frechen, vorlauten Sprüchen urkomische Systemkritik, und bringt damit die ganze Wangener Stadthalle zum Lachen – und zum Nachdenken: Das anarchische Känguru, das passiven Widerstand leistet gegen alles, was mit Kapitalismus, Nationalsozialismus und Ausländerfeindlichkeit zu tun hat.
Urkomisch und genial, wie die vier Schauspieler der Burghofbühne Dinslaken (Julia Sylvester, Patric Welzbacher, Markus Penne, Jan Exner) die „Känguru-Chroniken“von Marc-Uwe Kling am Samstagabend auf die Bühne der Stadthalle brachten und damit das Wangener Publikum begeisterten. Mit viel Humor, Kritik, Klamauk und Musik animiert das Stück zu einer neuen, kreativen Form des Klassenkampfs – jedenfalls auf der Theaterbühne.
„Können Sie sich ausweisen?“– „Entschuldigung!“, antwortet das Känguru. „Ist es nicht Ihr Job, mich auszuweisen?“Es ist diese Form des Sprachwitzes, die die „KänguruChroniken“von Marc Uwe Kling zu wahren Kultbüchern gemacht haben. Und sie haben eine Botschaft: „Man darf nie aufhören, alles kritisch zu hinterfragen.“Beispielsweise: Ist die Parole „Nazis raus“tragbar oder muss man sich vielmehr mit den Folgefragen „Wohin raus?“und „Bin ich dann nicht selbst ein Rassist?“beschäftigen? Kann man die Griechenland-Krise lösen, indem einfach alle behaupten, dass Griechenland keine Schulden mehr hat? Überhaupt „Schulden“: „Schulden sind ein bisschen wie der liebe Gott: Wenn man nicht daran glaubt, existieren sie nicht mehr…!“
Mittel des kreativen Widerstands
Die Theaterinszenierung der Känguru-Chroniken beginnt eigentlich ganz harmlos: Der namenlose Kleinkünstler Marc-Uwe lebt in einer kleinen Zweizimmerwohnung, schreibt Lieder und sinniert über das Leben. Da klingelt es an der Tür: das Känguru! Es will Pfannkuchen backen, hat aber vergessen, Mehl, Eier, Salz und Milch einzukaufen. Da zieht es gleich bei dem Kleinkünstler ein, der nur einen Traum hat: „Ich hätte so gern ein Hobby. Ein Hobby ist mein Traum….“Wenig später liegt das Känguru in der Hängematte, vertilgt massenhaft Schnapspralinen, erzählt von Klassenkampf und Rassismus, und leistet passiven Widerstand, indem es einfach unproduktiv ist. Das neu gegründete „Ministerium für Produktivität“kann sich natürlich solche „unproduktiven Ausländer“nicht leisten – das Känguru steht kurz vor seiner Ausweisung und Abschiebung.
Die „Systemkritik“stellt von nun an das Leben radikal auf den Kopf: Falsche Graffitis werden umgeschrieben, berühmte Zitate neu oder falsch zugeordnet: „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann. Frage, was du für dein Land tun kannst.“(Kim Jong-il). Oder: „Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien!“(Benedikt XVI.) Das Känguru kämpft mit allen Mitteln für eine gerechtere Weltordnung, initiiert eine „jüdisch bolschewistische Verschwörung“und ist stolz auf seine Geldanlagen, die die Bank mit Kinderarbeit, Ausbeutung und Sklaverei erwirtschaftet. Die Anarchie gegen die „Scheißvereine“dieser Welt hat begonnen, und dabei gibt es nur ein bewährtes Mittel des kreativen Widerstands: den Humor und das Lachen.