Pflichtbewusst
Als Sergio Mattarella im Februar 2015 das Amt des italienischen Staatspräsidenten übernahm, wusste er, dass er fortan im Rampenlicht stehen würde – genau das also, was dem eher schüchternen Verfassungsexperten gar nicht gefällt. Aber der Jurist, Witwer und Vater von drei Kindern gehört zu jener Spezies Mensch, die sich pflichtbewusst in ihr Schicksal ergibt.
Dabei wirkt Mattarella distanziert und ein wenig kühl. Der 76-Jährige repräsentiert durch und durch die Figur eines Staatspräsidenten, der weiß, was er zu tun hat. Vor allem als Garant des Staates und der Überparteilichkeit. Ihm nachzusagen, dass er als Präsident sozialdemokratische Sympathien zeige, greift bei diesem Mann zu kurz. Und doch ist nicht ausgeschlossen, dass er Ende des Monats oder Anfang April angesichts der unklaren Mehrheitsverhältnisse nach der Parlamentswahl den Sozialdemokraten Paolo Gentiloni, den ausscheidenden Regierungschef, mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragen könnte, die so lange im Amt bleiben soll, bis ein neues Wahlrecht endlich eine klare Mehrheit schaffen kann.
Was er ganz persönlich politisch denkt und wählt, bleibt offiziell offen. Als ehemaliger gewiefter Christdemokrat und enger Mitarbeiter von Giulio Andreotti weiß Mattarella, dass Schweigen Gold ist. Das wissen auch Italiens Parteichefs, und deshalb umwerben sie den Staatspräsidenten nach dem Wahlausgang mit honigsüßen Worten.
Mattarella, in Palermo geboren, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Rom. Von 1983 bis 2008 war er Mitglied der italienischen Abgeordnetenkammer. Sein älterer Bruder war Präsident der Region Sizilien und wurde 1980 von der Mafia ermordet. Mattarellas Frau starb 2012. Bei Staatsbesuchen begleitet ihn oft seine Tochter Laura. Thomas Migge