Hymer erwägt Börsengang
Wohnmobilbauer sucht Geldgeber für Expansionspläne
BAD WALDSEE (ank) - Europas größter Wohnmobilbauer Hymer mit Sitz in Bad Waldsee (Kreis Ravensburg) sucht für seine Expansionspläne neue Geldquellen und erwägt dabei auch einen Börsengang. „Vor dem Hintergrund des für die nächsten Jahre erwarteten Wachstums muss die Erwin-Hymer-Gruppe ihre Eigenkapitalbasis stärken“, sagte Vorstandschef Martin Brandt der „Schwäbischen Zeitung“. „Der Verkauf der Anteile soll entweder über die Börse oder an einen strategischen Investor erfolgen. Entschieden ist noch nichts.“Im Moment ist das profitable Unternehmen, zu dem unter anderem die Marken Hymer, Dethleffs, Carado und Sunlight gehören und das im letzten Geschäftsjahr auf einen Umsatz von 2,1 Milliarden Euro kam, vollständig im Besitz der Familie Hymer. Mit dem Kapital sollen Zukäufe in Nordamerika und der Aufbau einer Produktion in China finanziert werden.
BAD WALDSEE - Europas größter Reisemobilhersteller, die Erwin-Hymer-Gruppe (EHG), liebäugelt mit einem erneuten Börsengang. Das erklärte Unternehmenschef Martin Brandt am Montag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Vor dem Hintergrund des für die nächsten Jahre erwarteten Wachstums müsse die EHG ihre Eigenkapitalbasis stärken. Deshalb hätten sich die drei Gesellschafter, Gerda Hymer, die Frau des verstorbenen Firmengründers Erwin Hymer, sowie die beiden Kinder Carolin und Christian Hymer, entschlossen, einen bedeutenden Minderheitsanteil am Unternehmen zu verkaufen. „Der Verkauf der Anteile soll entweder über die Börse oder an einen strategischen Investor erfolgen“, sagte Brandt und fügte hinzu: „Entschieden ist noch nichts.“
Aktuell sei man dabei, die beiden Optionen gegeneinander abzuwägen. Dafür sei die australische Investmentbank Macquarie mandatiert worden. Sie solle mögliche Ankerinvestoren ansprechen und parallel dazu einen Börsengang vorbereiten. Für die Suche nach einem strategischen Investor gibt sich die EHG nach Aussagen von Brandt bis Juli/August Zeit. Werde man bis dahin nicht fündig, solle der Börsengang vorangetrieben werden. Der könnte, wenn alles nach Plan verläuft, noch im Herbst dieses Jahres stattfinden und würde ein Wiedersehen bedeuten: Im Jahr 1990 hatte Unternehmensgründer Erwin Hymer bereits einmal einen Minderheitsanteil des Wohnmobilbauers über die Börse verkauft. Der Ausflug aufs Börsenparkett wurde 23 Jahre später beendet und die verbliebenen Kleinaktionäre per Zwangsabfindung aus dem Unternehmen gedrängt.
Die EHG mit Sitz in Bad Waldsee, unter deren Dach Marken wie Hymer, Dethleffs, Carado und Sunlight produziert werden, und die nach etlichen Übernahmen in der Vergangenheit auch Werke in Italien (Laika), Kanada (Roadtrek) und Großbritannien (Explorer Group) unterhält, ist zurzeit vollständig im Besitz der Familie Hymer. Über die genaue Verteilung schweigt sich das Unternehmen aus, doch soll der Löwenanteil (90 Prozent plus X) den Kindern Carolin und Christian Hymer gehören – jeweils zu gleichen Teilen. Wie EHGChef Brandt sagte, unterstütze die Familie die Überlegungen sowohl hinsichtlich der Aufnahme eines strategischen Ankerinvestors als auch hinsichtlich eines möglichen Börsengangs. Die Mehrheit am Unternehmen – mindestens also 50 Prozent plus eine Aktie – wolle sie jedoch behalten.
Als strategische Ankerinvestoren kann sich Brandt andere Familienunternehmen, Finanzinvestoren aber auch Konzerne aus der Technologiebranche vorstellen – etwa aus dem Bereich autonomes Fahren, das nach Einschätzung des EHG-Chefs bei Wohnmobilen mehr und mehr an Bedeutung gewinnen wird. Grundvoraussetzung sei jedoch, so erklärte Brandt, dass die Unternehmenskulturen zusammenpassen müssten.
Die Erwin-Hymer-Gruppe hat nach dem heftigen Einbruch infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise Jahre rasanten Wachstums hinter sich. Binnen vier Jahren verdoppelte sich der Umsatz nahezu auf zuletzt 2,1 Milliarden Euro – getrieben durch eine robuste Nachfrage nach Reisemobilen, getrieben aber auch durch Zukäufe. Im Geschäftsjahr 2016/17 (Ende August) setzte der Konzern 55 000 Fahrzeuge ab und kommt nach eigenen Angaben auf einen Marktanteil in Europa von rund 30 Prozent.
Auch für die nächsten Jahre plant Brandt mit weiterem Wachstum und führt Zahlen einer aktuellen Marktstudie an, nach der das Absatzvolumen in Europa bis zum Jahr 2022 auf 245 000 Einheiten steigen soll. Im Jahr 2016 – aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor – wurden nach Angaben des Caravaning Industrie Verbands europaweit rund 170 000 Fahrzeuge abgesetzt. Brandt macht eine einfache Rechnung auf: „Bei einem Marktanteil der EHG von 30 Prozent und einem Absatzplus von 75 000 Fahrzeugen bis 2022 hieße das, dass wir unsere Produktion binnen fünf Jahren verdoppeln müssten.“
Ehrgeizige Auslandspläne
Hinzu kommt das Geschäft in Übersee, das die EHG weiter vorantreiben will. In China wird der Aufbau einer lokalen Produktion erwogen. Die Pläne sind zwar nicht neu, klingen heute aber konkreter als noch vor einigen Monaten. Und in Nordamerika schaut sich Brandt inzwischen verstärkt nach einem weiteren Übernahmeziel „im Süden der USA“um. Der Norden wird vom kanadischen Kitchener, dem Sitz der 2016 übernommenen Roadtrek, aus bedient. „Mittelfristig wollen wir die Erlöse dort auf 500 Millionen Euro hieven“, erklärt Brandt. Auch wenn sich der Konzern mit neuen Bankkrediten und der Ausgabe eines Schuldscheindarlehens finanziell Luft verschafft hat: Angesichts dieser Wachstumspläne brauche es auch eine breitere Eigenkapitalbasis, sagt Brandt. „Das macht die Geschäfte sicherer.“In der kommenden Woche will Brandt die Pläne in den verschiedenen Standorten der Gruppe den insgesamt 6000 Mitarbeitern präsentieren.