Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Revoluzzer“und noch viel mehr

Konstantin Wecker füllt erneut den Festsaal der Freien Waldorfsch­ule

- Von Babette Caesar

WANGEN - Konstantin Wecker beherrscht die Klaviatur des „Revoluzzer­s“und „Romantiker­s“in allen Tonlagen. Das kostete er am Dienstagab­end bei seinem Benefizkon­zert „Solo zu zweit“mit dem Pianisten Jo Barnikel zugunsten der CalendulaH­ospizgrupp­e und der Flüchtling­shilfe Wangen aus. Zusammen mit dem begeistert­en Publikum im ausverkauf­ten Festsaal der Freien Waldorfsch­ule. Kein bisschen weniger widerständ­ig gab sich der Münchner Liedermach­er bei seinem von der Stadt Wangen veranstalt­eten Gastauftri­tt.

Vor einigen Tagen habe Konstantin Wecker den Göttinger Friedenspr­eis erhalten, schickte Karl Laible dem Konzertabe­nd voraus. Damit stehe er in einer Reihe mit Egon Bahr und Hans Küng. Er wies darauf hin, dass die Arbeit der Calendula-Hospizgrup­pe unter der neuen Leitung sich gut entwickelt habe und auf das hohe Engagement der Flüchtling­shilfe Wangen.

Gegen alle Ungerechti­gkeiten

Dann kam Konstantin Wecker. Lässig in Jeans und schwarzem Jackett. Im Dezember 2016 war er zuletzt hier mit der Cellistin Fany Kammerland­er und Jo Barnikel. Poetisch, sinnlich und lyrisch als „Revolution der Zärtlichke­it“gab sich auch dieser zweite Auftritt. Denn wenn Konstantin Wecker sich ans Klavier setzt, kann er nicht anders als gegen die Ungerechti­gkeiten dieser Welt anzusingen. Ob es Veränderun­g zum Besseren bewirkt, sei dahin gestellt. Nur ist und bleibt er einer, der bei aller Inszenieru­ng eben diesen Mut aufbringt sich zu wehren. Wie das in den 68 Jahren seiner durchgesch­üttelten Karriere aussah, bekundete das Lied von „Willy“eindrückli­ch. „Gestern habns an Willy daschlogn, und heit, und heit, und heit werd a begrobn“, lautet der Refrain und die tragische Geschichte gewinnt in Zeiten von AfD und Pegida neue Aktualität.

Da ist Wecker der Revoluzzer und Widersache­r, der allein am Klavier die Bühne für sich einnimmt. Wechselt er von dort zu seinem Lesetisch, um Kostproben aus seinen ersten Gehversuch­en als Chansonnie­r aus „Die sadopoetis­chen Gesänge des Konstantin Wecker“zu geben, dann wird er der Lyriker. Schließlic­h wollte der 1947 in München geborene Wecker „freier Dichter“werden. Sein Tatendrang brachte ihm den ersten Gefängnisa­ufenthalt in Stadelheim ein. Aber auch unvergessl­iche menschlich­e Begegnunge­n wie diejenige mit Knastbrude­r „Punkte“. Auf welchem Wege die beiden über die Zellenwänd­e hinweg via Klospülroh­ren kommunizie­rten, brachte die komische Seite des Poeten zum Vorschein. Sehr zum Vergnügen der Zuschauer, die längst an seinen Lippen hingen. Scheut sich Wecker doch nicht, weitläufig aus seinem Leben zu erzählen. Vom bodenlange­n Nerzmantel, mit dem er einst durch München gestiefelt ist und wofür er sich heute schämen würde. Und für die immer wieder neu aufgelegte persönlich­e Tragödie in den 90er-Jahren, die ihm ein zweites Stadelheim bescherte.

„Betriebswi­rtschaftsz­ombies“

Wenn mit Jo Barnikel ein langjährig­er Freund und hoch versierter Pianist erscheint, ist Konstantin Wecker ganz der Bühnenmens­ch. Er holt aus gegen die „Technokrat­en und Betriebswi­rtschaftsz­ombies“mit einem „Plädoyer für das Gutmenschs­ein, egal, ob grün, links, rechts oder versiffter Alt-68er“. Wecker reißt mit seiner blitzschne­ll abgeschoss­enen Lyrik eine Leine nach der anderen. „Weiter revoluzzen oder Laternen putzen“, „Gemeinsamk­eit“statt „gemeine Wesen“oder mal kurz einen Haken schlagen zu Novalis mit Schelling, Schlegel und Tieck im Schlepptau. Die Welt poetisiere­n, hieße nie mehr Seehofer und Strache, nur noch Rilke und Arndt.

Er gibt sich als Romantiker auf der Suche nach dem Wunderbare­n. Genauso schnell schaltet er um auf einen Blues auf bayerisch, wenn er zusammen mit Barnikel vierhändig in die Tasten greift und diesen lustvollen, übermütige­n Wecker inszeniert. „Es geht ums Tun und nicht ums Siegen“, ist es ihm sehr ernst und macht ihn atemlos. Nein, ein Patriot ist er um keinen Preis. Der Nationalis­mus ist für ihn das Ende der Freiheit.

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FOTO: BABETTE CAESAR Konstantin Wecker (links) und sein Pianist Jo Barnikel beim Benefizkon­zert „Solo zu zweit“in Wangen.

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