Statt Islam-Streit lieber Integrationskonzept
Schonzeit für Seehofer ist vorbei – CDU-Politiker kritisieren neuen Innenminister
BERLIN - Der Islam-Streit in der Union ist am Osterwochenende hochgekocht. Für seinen Satz, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, wird CSU-Chef Horst Seehofer von der CDU offen kritisiert.
„Vollkommen für die Katz“sei Seehofers Äußerung, ätzte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Montag. Sie schüre bei Leuten, die Seehofers These teilten, „eine Erwartungshaltung, die er nicht erfüllen kann“, so der Nord-Regierungschef. Jeder frage sich: „Und jetzt, Herr Seehofer? Bauen wir jetzt alle Moscheen ab?“In der Praxis habe der Vorstoß des CSU-Chefs „null Bewandtnis“, kanzelte Günther den neuen Bundesinnenund Heimatminister ab.
Seehofer steht jetzt unter Druck als der Spalter der Unionsparteien; als jemand, der Antiislamismus schüre, um so Stimmen am rechten Rand für die Landtagswahl im Herbst zu sammeln – so lautet der indirekte Vorwurf von CDU-Mann Norbert Röttgen: „Diese Art überwiegend folgenloser, taktisch motivierter Debatte muss ein Ende haben“, forderte der Vorsitzende des Außenausschusses im Deutschen Bundestag. Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) schaltete sich mahnend ein. „Wir können nicht den Gang der Geschichte aufhalten“, sagte er. „Eine freiheitliche Gesellschaft bleibt nur stabil, wenn sie ein hinreichendes Maß an Zugehörigkeit und Vertrautheit vermittelt.“
Der Landesgruppenchef der Christsozialen im Bundestag, Alexander Dobrindt, sprang Seehofer indes bei und wiederholte am Montag demonstrativ dessen Satz: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“Weil die Mehrheit der Bevölkerung eben dieser Meinung sei, werde sich die CSU in der Frage „nicht bewegen“, schlägt Dobrindt alle CDU-Appelle in den Wind. „Wer anspricht, was die überwiegende Mehrheit denkt, der spaltet nicht, der führt zusammen.“Die Fronten zwischen CDU und CSU sind bereits wenige Wochen nach dem Start der neuen Regierung verhärtet.
Alarmiert ist nicht nur die CDU. Für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) betreiben Seehofer und Dobrindt gefährliche Stimmungsmache. „Es beunruhigt mich sehr stark, dass versucht wird, Problemlagen auf eine Religion zu übertragen“, so ZdK-Präsident Thomas Sternberg im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung “. Sternberg zieht einen drastischen Vergleich: „Das hat es in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts schon einmal gegeben.“Damals seien „Pauschalurteile über Juden in die Welt gesetzt“worden, das habe es „den Nazis ermöglicht, den Antisemitismus bis zum größten Verbrechen der Menschheit weiterzutreiben“.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller, Mitglied der CSU und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, sucht den Vorwurf zu entkräften und zu differenzieren: „Die Religionen leben in Deutschland im Großen und Ganzen sehr friedlich miteinander“, betonte er im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Der radikale Islam, der auf die Scharia baut und unsere Rechtsordnung leugnet, gehört deswegen auch nicht zu Deutschland“, relativierte er Seehofers Aussage und fordert die Muslime und ihre Verbände auf, sich von radikalen Strömungen abzugrenzen.
Für CDU-Politiker Röttgen reicht auch das nicht aus. Er sieht den neuen Innenminister unter Zugzwang zu handeln statt zu reden: „Wir haben eine neue Qualität von Zuwanderung und brauchen deshalb eine neue Qualität von Integrationsarbeit.“Seehofer solle „ein konkretes, anspruchsvolles, pragmatisches Konzept der Integration etwa für muslimische Kinder“entwickeln. Damit erhöht er den Druck auf Seehofer, Spannungen durch politische Maßnahmen abzubauen.