Spanien empört über die Bundesregierung
Puigdemont spricht sich in Berlin für internationale Vermittlung in Katalonien aus
BERLIN/SEVILLA (dpa) - Die Freilassung des früheren katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont in Deutschland belastet die deutsch-spanischen Beziehungen. Verärgert ist Madrid insbesondere über Justizministerin Katarina Barley (SPD). Puigdemont rief die spanische Regierung von Berlin aus zu einer politischen Beilegung der Krise auf.
Einen Tag nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis in Neumünster äußerte er sich am Samstag bei einer Pressekonferenz in der deutschen Hauptstadt zwar kompromissbereit: „Die Unabhängigkeit ist für uns nicht die einzige Lösung. Wir sind bereit, zuzuhören.“Puigdemont sprach sich für eine internationale Vermittlung aus. Die Forderung nach Abspaltung Kataloniens von Spanien nahm er aber auch nicht zurück.
In Spanien wurde die Entwicklung in Deutschland zunächst mit Unglauben und dann mit zunehmendem Zorn beobachtet. Die Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy will nicht mit Puigdemont sprechen. Statt sich an den Verhandlungstisch zu setzen, will die Regierung Rajoy die Separatisten wegen Rebellion hinter Gittern sehen. Dass dies zumindest im Fall Puigdemonts durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts in Schleswig schwieriger geworden ist, verärgert spanische Regierungskreise.
In der Regierung herrsche „Verwirrung und Ärger“, schrieb am Sonntag die gewöhnlich gut informierte Zeitung „El País“unter der Schlagzeile: „Der Fall Puigdemont sorgt für Spannungen in den Beziehungen zwischen Spanien und Deutschland“.
Die Zeitung „El Mundo“äußerte sich in einem Kommentar in scharfen Tönen. „Das Schicksal, die Einheit und die unveräußerlichen Rechte Spaniens können doch nicht Richtern überlassen werden, die im Handumdrehen über eine komplexe monatelange Ermittlung entscheiden“, hieß es am Sonntag mit Blick auf den I. Strafsenat des Oberlandesgerichts Schleswig-Holsteins. Statt die Vorschriften des europäischen Auslieferungsverfahrens anzuwenden, hätten sich die Richter zu einer höheren Instanz aufgeschwungen.
„Vertrauen steht auf dem Spiel“
Das Oberlandesgericht Schleswig hatte den spanischen Hauptvorwurf der Rebellion fallengelassen und Puigdemont am Freitag unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt. Nach einem von Spanien erlassenen europäischen Haftbefehl wurde ein Auslieferungshaftbefehl nur wegen des zweiten Vorwurfs der Untreue zugelassen.
Der Sprecher von Rajoys Volkspartei (PP) im EU-Parlament, Esteban González Pons, wurde von spanischen Medien mit den Worten zitiert, das Schengener Abkommen mache „keinen Sinn mehr, wenn der europäische Haftbefehl nicht funktioniert“. Das Vertrauen der Mitgliedsstaaten in die EU stehe auf dem Spiel.
Zitate von Bundesjustizministerin Barley in der „Süddeutschen Zeitung“, die sie später dementieren ließ, lösten in Spanien weitere Verärgerung aus. Die Zeitung hatte sie am Freitagabend mit den Worten wiedergegeben: „Die Entscheidung der Richter in Schleswig ist absolut richtig. Ich habe sie so erwartet.“Spanien müsse nun darlegen, warum sich Puigdemont einer Untreue schuldig gemacht haben soll: „Das wird nicht einfach sein“, betonte die SPD-Politikerin. Sonst werde der Haftbefehl aufgehoben. „Dann ist Puigdemont ein freier Mann in einem freien Land – nämlich in der Bundesrepublik.“
Das Dementi Barleys am Folgetag dürfte die Verärgerung der Spanier kaum ausgeräumt haben. „Die Ministerin hat stets erklärt, zum laufenden Verfahren nicht Stellung zu nehmen. Dies hat sie auch nicht getan“, sagte ein Sprecher am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Die Zeitung „El País“titelte: „Der Fall Puigdemont sorgt für Risse im spanischdeutschen Verhältnis.“
Spaniens Außenminister Alfonso Dastis hatte sich schon am Samstag auf dem Parteitag der PP in Sevilla kritisch zu Barleys Aussagen geäußert. Diese seien „unglücklich“sagte er. Am Sonntag sagte Dastis, man wolle „den Fall entpolitisieren“.
SPD-Bundestagsfraktionsvize Rolf Mützenich wies die Kritik zurück. Die Begründung des Gerichts für die Freilassung Puigdemonts sei nachvollziehbar, sagte er dem „Handelsblatt“. Deshalb habe Barley die Entscheidung zu Recht gelobt. Die spanische Regierung müsse die Krise politisch lösen: „Sollte sie dabei Hilfe von dritter Seite wünschen, wären europäische Staaten oder die EU geeignete Ansprechpartner.“