Mit Eseln das Allgäu entdecken
Serie „Draußen unterwegs“: Mit Tanja Schulze und behinderten Menschen auf Tour
WANGEN - Tanja Schulze aus Oberau bei Wangen macht Wandertouren mit Eseln – mit Kindern, Erwachsenen oder Familien. SZ-Mitarbeiterin Claudia Bischofberger durfte eine Tour mit Menschen mit Behinderung begleiten. Ihr Fazit: „Gemeinsam mit diesen wunderbaren Tieren wurde sie zu einem unvergesslichen Erlebnis.“
Fährt man auf den idyllisch gelegenen Hof von Tanja Schulze in Oberau im Argental, spielt Zeit plötzlich keine Rolle mehr. Hier gibt es keine Hektik und keine Eile. Die heutigen Reisebegleiter sind schon da. Mit gekonnter Routine helfen die vier Betreuer des Ferienhauses für Behinderte, „Hand in Hand“aus Sigmarszell, ihren Schützlingen in die Rollstühle. Die Einrichtung betreut pflegebedürftige und behinderte Menschen aus ganz Deutschland, um den Angehörigen die Gelegenheit zu geben, auch mal Urlaub zu machen.
In regelmäßigen Abständen begleiten sie die Tour mit den Vierbeinern. Einige von ihnen waren schon öfter da und kennen schon das Abenteuerwandern mit Eseln. Die Vorfreude steht den Teilnehmern ins Gesicht geschrieben. Ein junger Mann streichelt liebevoll einige Ziegen des Hofs und strahlt dabei bis über beiden Ohren.
Bevor Tanja unsere vierbeinigen Begleiter holt, gibt es noch eine Einführung in die Welt der Esel. Gespannt und interessiert lauschen alle den Ausführungen der Eselexpertin. Wir erfahren alles über die Herkunft der Esel, deren Ansprüche und Verhaltensweisen. Aber auch, wie wir uns ihnen gegenüber verhalten und uns mit ihnen verständigen sollen.
„Wer behauptet, ein Esel sei stur, der irrt gewaltig“, verteidigt Tanja Schulze ihre Freunde gegen die landläufige Bezeichnung „sturer Esel“. Wenn einem Esel etwas nicht geheuer sei, so bleibe er stehen und denkt. „Er überdenkt die Dinge, die ihm fremd sind“, erklärt sie.
Auch könne man via Körpersprache viel über das momentane Befinden des Esels erfahren. Wenn er die Ohren in alle Richtungen dreht und entspannt den Kopf hängen lässt, so genieße er die Natur und freue sich des Lebens. Sind beiden Ohren nach hinten angelegt, sei er ziemlich sauer. Aufgestellte Ohren und angespannte Körperhaltung signalisieren: Hier lauert irgendeine Gefahr. Esel kommen ursprünglich aus Afrika, erzählt Tanja Schulze weiter. Der Kontinent sei kein Schlaraffenland, was das Futter angeht. Umso mehr freuten sich die Tiere über unsere saftige Wiesen im Allgäu. Doch da sie durch Übermaß krank werden können, werden sie bei Tanja auf grasarmen Koppeln gehalten.
Nach dem informativen Exkurs ist es endlich soweit. Drei der insgesamt sieben Esel des Hofs laufen heute mit und werden nun geholt. Pedro, Maxi und Necuc werden noch liebevoll gebürstet, bevor es dann endgültig hinaus in die Natur geht. Wir laufen ein Stück an der Argen entlang, die leise rauschend durch das Tal fließt. Links von uns liegen die grünen Wiesen des Argentals, auf denen schon die ersten Blumen ihre bunten Köpfe der Sonne entgegen strecken. Hie und da ziehen an diesem schönen Frühlingstag Schmetterlinge ihre Kreise über das Feld, hungrig nach dem langen Winter auf der Suche nach Blütenstaub.
Einfluss von Tieren auf Menschen mit Behinderung
Auch die drei Esel der heutigen Tour können dem satten Grün nur schwer widerstehen, und daher müssen ihre Begleiter sie immer wieder „ermahnen“, auf dem Weg zu bleiben. Aber man darf niemals böse zu ihnen sprechen, erzählt Tanja. Freundlich, aber bestimmt werden sie daher stets wieder auf den rechten Weg geleitet. Und immer wieder ist es faszinierend, welchen Einfluss diese Tiere auf die behinderten Menschen haben. Welches Wohlgefühl sie durch ihre pure Anwesenheit erzeugen. Die Rollstuhlfahrer und das „Fußvolk“– jeder möchte gerne mal einen Esel an seiner Seite haben, um die Wanderung in vollen Zügen genießen zu können.
Als wir das riesige Areal des Sägewerks Baumann erreichen und die großen Maschinen gerade das Holz bearbeiten, bleiben die Esel kurz stehen und scheinen nachzudenken. Anscheinend kommen ihnen die Geräusche und die Bewegung, die durch dieses geschäftige Treiben erzeugt wird, nicht ganz geheuer vor. Aber durch gutes Zureden setzen sie schon gleich ihren Weg wieder fort. Als wir den „Schwarzen Hasen“erreichen, müssen wir ein Stück die Straße entlang gehen. Motorradfahrer, Traktoren und Autos, die viel zu schnell fahren. Die Tiere behalten stets ihre Nerven und lassen sich von den lauten Geräuschen nicht beirren.
Nachdem wir die Straße geschlossen überquert haben, kommen wir in den wohltuenden Schatten des Trimm-Dich-Walds. An dem kleinen Blockhaus, vor dem ein kühler Brunnen steht, machen wir ein ausgiebiges Picknick. In angeregten Gesprächen und fröhlichem Miteinander wird das mitgebrachte Essen und Trinken verzehrt. Derweil dürfen die Esel im Schatten rasten, und dabei knabbern sie genüsslich an den Zweigen eines Nadelbaums. Immer wieder werden sie von uns angesprochen und gestreichelt. Gestärkt und ausgeruht geht es dann zurück in Richtung Stall.
Die Wanderung an sich hatte eine Länge von sechs Kilometern. Dafür waren wir vier Stunden unterwegs. Dies scheint manchem lange vorzukommen, doch mit Menschen wie diesen, die trotz Handycap und erschwerter Umstände so viel Freude an der Natur und an den Tieren haben, vergisst man die Zeit und wünscht sich einmal mehr, die Natur mit allen Sinnen so wie heute genießen zu dürfen.
Für die Gruppe des Hauses „Hand in Hand“war der Nachmittag jedoch noch nicht zu Ende. Zwar kamen die vierbeinigen Wanderer wieder auf die Koppel, aber die Zweibeiner durften ihre Eindrücke noch bei Kaffee und Kuchen an der liebevoll angerichteten Kaffeetafel austauschen und auf sich wirken lassen.
Lesen Sie alle Serienteile im Online-Dossier unter www.schwäbische.de/ draussenunterwegs. Verraten Sie uns Ihre besten Freizeittipps und gewinnen Sie: www.schwäbische.de/freiluft