Islamismus weiter größte Bedrohung
Innenminister stellt Verfassungsschutzberichts vor – Bedrohungslage „auf hohem Niveau“
STUTTGART (kab) - Von Islamisten gehe in Baden-Württemberg weiter die größte Bedrohung aus. Das sagten Innenminister Thomas Strobl (CDU) und Verfassungsschutzpräsidentin Beate Bube am Donnerstag in Stuttgart. Emil Sänze (AfD) sprach sich für die Überwachung der „Osmanen Germania“sowie des türkisch-religiösen Verbands Ditib aus. Sascha Binder (SPD) forderte indes, fortlaufend zu überprüfen, ob die AfD beobachtet werden müsse. Nico Weinmann (FDP) plädierte für mehr Verfassungsschützer.
STUTTGART - Die Zahl der Islamisten in Baden-Württemberg ist im vergangenen Jahr erneut gestiegen. „Die Bedrohungslage ist nach wie vor auf hohem Niveau“, sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für 2017 am Donnerstag in Stuttgart. „Extremisten bedrohen immer mehr unsere freiheitlich demokratische Grundordnung.“Beate Bube, Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz, erklärte die Zunahme der Islamisten damit, dass sich immer mehr Bürger mit Hinweisen auf mögliche Terroristen melden. Die wichtigsten Kennzahlen im Überblick.
Mehr beobachtete Islamisten
Die Verfassungsschützer beobachteten im vergangenen Jahr 3600 Islamisten – das sind nochmal 100 mehr als 2016. Als besonders gefährlich gilt die Gruppe der Salafisten, die einen Gottesstaat anstreben. Ihre Zahl ist ebenfalls erneut gestiegen, um 130 auf 750 Personen. „Allein die Bedrohung durch den islamistischen Extremismus macht uns einen relativ hohen Arbeitsauswand“, sagte Verfassungsschutzpräsidentin Bube. Dies erklärte sie vor allem mit einer stark gestiegenen Zahl an Hinweisen auch aus der Bevölkerung auf mögliche Gefährder. „Dabei ist meist noch völlig unklar, ob eine Person der Szene angehört oder sich potenziell noch radikalisiert.“
Massiv gesunken ist die Zahl derer, die sich den Kämpfern des sogenannten Islamischen Staats und anderen terroristischen Gruppen angeschlossen haben. Wie bereits im Vorjahr sprach Strobl von insgesamt 50 Menschen, die aus Baden-Württemberg Richtung Syrien oder dem Irak aufgebrochen sind, etwa ein Dutzend sei dort ums Leben gekommen. „Rückkehrer aus dem IS-Gebiet sind ein erhebliches Sicherheitsrisiko“, so Strobl. Dass es in Baden-Württemberg bislang keine großen Anschläge gab wie in Frankreich oder Großbritannien, führt Strobl auf die gute Arbeit der Sicherheitsbehörden zurück. Und: „Wir haben sicher auch sehr viel Glück gehabt.“
Rechts- und Linksextremismus
Erneut ist die Zahl der Rechtsextremisten gesunken – um 70 auf 1630 Personen. Davon sind 770 und damit 20 weniger als im Vorjahr gewaltbereit. Die Gewalttaten sind von 44 auf 39 zurückgegangen, bewegen sich laut Bube aber immer noch auf vergleichsweise hohem Niveau. „Eine Entwarnung im Bereich Rechtsextremismus kann nicht gegeben werden.“Als „besonders aktiv“bezeichnete Beate Bube die Identitäre Bewegung.
Die Behörde zählte 2780 Linksextremisten und damit 140 mehr als im Vorjahr. 860 von ihnen und damit 40 mehr als 2016 gelten als gewaltbereit. Die Zahl linksextremistischer Gewalttaten ist indes erneut gesunden – von 99 auf 69. Das erklärte Strobl damit, dass es im Land keine Großveranstaltungen für die Szene gab. 500 Aktivisten aus dem Südwesten seien allerdings zum G20-Gipfel im Juli nach Hamburg gereist, 20 von ihnen seien vorläufig festgenommen worden.
Innertürkische Konflikte
„Die seit Jahren angespannte Lage in der Türkei hat auch weiterhin direkte Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Baden-Württemberg“, sagte Bube. Am Rande von Protestaktionen kam es zwischen nationalistischen türkischen Gruppen und Anhängern der verbotenen „Arbeiterpartei Kurdistans“(PKK) immer wieder zu Gewalt. Der Konflikt werde weiter geschürt durch die türkische Militäroffensive im syrischen Afrin.
Aktive Geheimdienste
Zu den Aufgaben des Verfassungsschutzes gehört auch die Spionageabwehr. Laut Bube haben vor allem die Aktivitäten des türkischen Nachrichtendienstes MIT seit dem versuchten Putsch in der Türkei im Sommer 2016 massiv zugenommen. „Insgesamt haben Cyber-Angriffe deutlich zugenommen“, sagte Bube. Vor allem Russland sei hier wohl sehr aktiv. Die Angriffe richteten sich vor allem gegen erfolgreiche und innovative Wirtschaftsunternehmen. Wenn sensible Bereiche im Fokus der Angreifer stünden, etwa Energieversorger, sei das besonders besorgniserregend, sagte sie.
Scientology eröffnet Sitz
Die Sekte Scientology verliert zwar seit Jahren an Unterstützern, in Baden-Württemberg habe sie aber feste Strukturen, sagte Bube. Da die Organisation auf Spenden angewiesen sei, sei der wirtschaftsstarke Südwesten ein wichtiger Stützpunkt. Nach Jahren des Stillstands rechnet sie noch in diesem Jahr mit der Eröffnung einer repräsentativen Niederlassung in Stuttgart.