Lücken beim Pflücken
Erdbeer- und Spargelbauern haben Probleme, Erntehelfer zu finden – Doch Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge sind keine Alternative
Für die Landwirte wird es immer schwieriger, saisonale Erntehelfer für Erdbeeren (Foto: dpa) und Spargel zu finden. Warum Langzeit- arbeitslose und Flüchtlinge keine Alternative für die ausbleibenden Arbeiter aus Rumänien und Polen sind, erklärt Simon Schumacher, der Geschäftsführer des Verbands Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer (VSSE), im Interview der „Schwäbischen Zeitung“.
RAVENSBURG - Die Erdbeer- und Spargelbauern in der Region haben Probleme, Erntehelfer zu finden. Simon Schumacher, Geschäftsführer des Verbands Süddeutscher Spargelund Erdbeeranbauer, erklärt im Interview mit Andrea Pauly, warum Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge keine Alternative für Saisonarbeiter aus Rumänien und Polen sind.
Früher sind viele Saisonarbeiter aus Rumänien und Polen jedes Jahr zum Ernten nach Deutschland gekommen. Woran liegt es, dass mittlerweile immer mehr Helfer fehlen?
In Rumänien passiert gerade das gleiche, was wir vor zehn Jahren in Polen erlebt haben: Dort ist wirtschaftlicher Aufschwung. Es geht ihnen finanziell besser – zum Glück für sie. Wer jetzt noch nach Westeuropa kommt, sucht keine Saisontätigkeit. Sie gehen eher auf den Bau, in die Paket- und Zustelldienste. Und das macht uns Sorgen.
Welche Ansprüche haben die Obstbauern an die Saisonarbeiter?
Sie brauchen zuverlässige Leute, die am besten jedes Jahr wiederkommen. Beim Erdbeerpflücken sind meistens Frauen etwas besser, sie sind schneller und vorsichtiger mit den Früchten. Beim Spargel sind es oft Männer, die Arbeit ist da aber auch etwas schwerer. Sie müssen motiviert und körperlich geeignet sein und die Arbeit für zwei Monate durchhalten.
Von wem ging die Initiative aus, dass Flüchtlinge auf den Erdbeerund Spargelfeldern arbeiten?
Mit dem Beginn der Flüchtlingskrise 2015 wollten einige wenige Anbauer aus Verantwortungsbewusstsein den Leuten eine Perspektive geben. Sie wollten dabei helfen, die Misere in den Heimen aufzulösen. Das geschah vor allem dort, wo Flüchtlingsheime in der Nachbarschaft der Höfe waren.
Funktioniert hat das aber nicht. Woran liegt das?
Das lag vor allem daran, dass die meisten anderen Helfer polnisch und rumänisch sprechen. Flüchtlinge, die motiviert sind, zu arbeiten, wollen sich integrieren. Aber so haben sie keine Chance, Deutsch zu lernen. Und nach drei Monaten Saisonarbeit haben sie keine Perspektive auf eine langfristige Arbeitsstelle. Da fehlt die Motivation.
Die zweite Alternative war sogar politisch gewollt: Langzeitarbeits- lose sollten bei der Ernte von Erdbeeren und Spargel helfen. Warum hat das nicht geklappt?
Die Politik hat schon vor 2008 vorgegeben, dass 20 Prozent der Erntehelfer Langzeitarbeitslose sein sollten, für die Regionen mit geringer Arbeitslosenquote waren es zehn Prozent. Das Ergebnis war, dass die Unternehmen zehn Prozent weniger Helfer hatten.
Woran lag das? Wurde das nicht umgesetzt oder fehlten in der Region die Langzeitarbeitslosen?
Es sind schon einige gekommen, aber die haben nicht lange durchgehalten. Das ist ein Knochenjob. Und dazu kommt auch bei ihnen, dass eine Saisonarbeit für drei Monate keine Motivation ist, denn das ist kein langfristiger Weg aus ihrer Arbeitslosigkeit. Es ist naturgegeben, dass diese Personen nicht für die Pflückarbeiten geeignet sind.
Was unterscheidet die Saisonarbeiter aus Polen und Rumänien?
Die Erntehelfer aus Rumänien sind oft Selbstversorger, halten Nutztiere und bauen Obst und Gemüse an. Daher können und wollen sie diese Arbeit machen.
Gibt es also niemanden, der als Erntehelfer in Frage kommt?
Doch. In der Ukraine gibt es Leute, die diese Arbeit machen können. Und sie würden auch wollen. Aber wir wissen, wie lange es dauert, bis bilaterale Abkommen zwischen Staaten entstehen. Im Moment gibt es deshalb rechtlich keine Möglichkeit für sie, zum Arbeiten nach Deutschland zu kommen – nicht mal über ein Visum. Die einzige Ausnahme wären Praktikanten. Aber die Erntezeiten hier passen mit den Semesterferien in der Ukraine nicht zusammen.
Sind die Auswirkungen schon bei den Obstbauern im Südwesten spürbar?
Dieses Jahr bestätigt sich lediglich der Trend, dass die Knappheit seit drei Jahren zunimmt. Es wird noch einige Jahre dauern, bis Auswirkungen in der Region spürbar sind. Wir arbeiten zudem derzeit daran, den Zugang zur Ukraine und dem Westbalkan zu verbessern und hoffen damit, negative Folgen für die ländlichen Gebiete abwälzen zu können. Eine Prognose ist schwierig.
Wie sind die Arbeitszeiten der Erntehelfer organisiert?
Auf den Erdbeerfeldern fangen die Saisonarbeiter meistens recht früh an. Dann ist nicht nur die Qualität der Früchte höher, sondern es ist auch noch nicht so warm. Wenn es sehr heiß ist, machen viele Betriebe lieber eine längere Mittagspause. In der Landwirtschaft dürfen in den Höchstzeiten der Ernte zehn Stunden gearbeitet werden. Aber ausgerechnet das Arbeitszeitgesetz macht es dann für die Menschen schwieriger. Weil zwischen den Schichten mindestens elf Stunden Pause liegen müssen, können die Mittagspausen in den heißen Stunden des Tages nicht länger sein. Wenn die Arbeitszeit flexibler wäre, wäre das besser.