Vereinsfunktionäre sitzen auf der Anklagebank
Als Arbeitgeber sollen sie 115 000 Euro Sozialversicherungsbeiträge nicht bezahlt haben
OBERALLGÄU - Weil sie zwei Menschen über Jahre als Scheinselbstständige beschäftigt haben sollen, saßen vier aktive oder frühere Vorstandsmitglieder eines Oberallgäuer Vereins auf der Anklagebank des Sonthofener Amtsgerichts. Sie sollen als Arbeitgeber über Jahre insgesamt 114 500 Euro Sozialversicherungsbeiträge nicht entrichtet haben – was unter dem Begriff „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“strafbar ist.
Der Verein betreibt zwei Freizeitanlagen, an denen jeweils ein Mitarbeiter von Besuchern Eintritt beziehungsweise Nutzungsgebühren kassiert und sich auch sonst um die Anlage kümmert. Dafür erhielten die Kräfte zuletzt als Provision jeweils 25 Prozent der eingenommenen Entgelte. Den jeweiligen Gastronomiebetrieb konnten sie auf eigene Rechnung führen; die Einnahmen daraus machten offenbar jeweils etwa ein Drittel ihrer Gesamteinkünfte aus.
Der Steuerberater des Vereins als Zeuge vor Gericht machte deutlich, dass diese Konstellation über viele Jahre gewachsen sei und sich auch Betreiberverträge mit früher tätigen Kräften nur unwesentlich unterschieden. Problem sei, dass sich die Beurteilung, wann eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, über die vielen Jahre weiterentwickelt habe. „Ich hatte in der Vergangenheit nie Zweifel an der Selbstständigkeit“, sagte der Steuerberater. Dazu der Staatsanwalt: „Niemand wirft gezielte Hinterziehung vor.“
Keine Angaben zu Vorwürfen
Frage für das Gericht war, inwieweit die Mitarbeiter wirklich selbstständig handelten, etwa über Öffnungszeiten entschieden, eigenständig Werbung machten, selbstständig Aufträge vergaben und wie das mit Abrechnungen und Betriebskosten lief. Nicht gerade einfach war das unter anderem, weil der Steuerberater nicht alle Fragen beantworten konnte und die Beschuldigten selbst in der Verhandlung keine Angaben zu den Vorwürfen in der Anklage machten. Im Fall der einen Freizeitanlage gab es dennoch vergleichsweise wenig Diskussionsbedarf. Da saß der Betreiber in seiner Funktion als gleichzeitiges Vorstandsmitglied selbst auf der Anklagebank. Er war also sozusagen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem. „Das ist so weit weg vom Normalfall“, sagte Richterin Brigitte Gramatte-Dresse.
Nach insgesamt rund dreistündiger Verhandlung sind zwei Vorstandsmitglieder mit einem Schrecken davongekommen: Ein 70-Jähriger, der nur noch kurze Zeit Vorstandsmitglied gewesen war. Und die 64-jährige Kassiererin, die mit den konkreten Vorgängen nur wenig zu tun hatte. Gegen beide Beschuldigten wurde das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft wegen Geringfügigkeit eingestellt. Lediglich ihre eigenen Auslagen für die Verhandlung müssen sie selbst tragen.
Nach insgesamt rund dreistündiger Verhandlung sind zwei Vorstandsmitglieder mit einem Schrecken davongekommen.
Ein Verfahren wird fortgesetzt
Auch von der Strafverfolgung gegen das Vorstandsmitglied, das selbst für den Verein eine Freizeitanlage betrieben hat, soll abgesehen werden. Auflage: Der 62-Jährige zahlt je 5000 Euro an Bergwacht und Lebenshilfe.
Das Verfahren gegen ein weiteres Vorstandsmitglied (77) wird fortgesetzt. Denn in diesem Fall ist der Gesamt-Sachverhalt noch unübersichtlich. Dies unter anderem, weil es zwischen dem Verwalter der zweiten Freizeitanlage und dem Verein in der Vergangenheit so geknirscht hatte, dass dem Mann schon vor geraumer Zeit gekündigt worden war. Er sei beleidigt und schikaniert worden, schilderte der frühere Verwalter im Zeugenstand seine Sicht der Dinge. „Zu sagen hatte ich nichts“– weder bei den schon früher festgelegten Öffnungszeiten noch den Preisen der Freizeitanlage.
Der Verwalter war nach eigenen Angaben bereits vor das Arbeitsgericht gezogen, weil ihm der Verein seiner Ansicht nach nicht alles zustehende Geld gezahlt habe. Diese Verhandlung sei mit einem Vergleich geendet, sagte er.