Denn er wusste nicht, was er tat
Gehirnerschütterung möglicherweise Schuld an Karius-Patzern im Finale – Ramos stichelt
BOSTON (SID/dpa) - Von seinem Brummschädel dürfte sich Loris Karius nach einer Woche im Kalifornien-Urlaub erholt haben. Und auch die seelischen Schmerzen des gebürtigen Biberachers wurden mittlerweile gelindert. Schließlich hat eine Untersuchung am 31. Mai beim Zwischenstopp im General Hospital in Boston ergeben, dass der 24-jährige Torhüter des FC Liverpool vor seinen folgenschweren Patzern im Finale der Champions League gegen Real Madrid (1:3) eine Gehirnerschütterung erlitten hat – sie könnte als Erklärung für die Aussetzer gelten.
Für die Rehabilitierung des viel gescholtenen Keepers aus medizinischer Sicht sorgten die Ärzte Ross Zafonte und Lenore Herget, die sich Karius fünf Tage nach dem Endspiel angesehen haben. „Die Symptome von Herrn Karius zum Zeitpunkt der Untersuchung deuten darauf hin, dass eine visuelle räumliche Störung existierte, die wahrscheinlich unmittelbar nach dem Ereignis aufgetreten ist“, betonten die Spezialisten, die von der medizinischen Abteilung der Liverpooler eingeschaltet wurden: „Es könnte möglich sein, dass solche Defizite die Leistung beeinträchtigen.“Auch Werner Krutsch, Experte am Fifa Medical Centre in Regensburg, hält das für wahrscheinlich. „Das ist zwar selten, aber prinzipiell möglich“, so der Mediziner. Sehstörungen, Schwindel und Konzentrationsschwäche seien mögliche Symptome. Hundertprozentig ließe es sich zwar nicht nachweisen, aber der Zusammenstoß könnte seiner Einschätzung nach durchaus diese Folgen gehabt haben.
„Maximalversion des Unglücks“
Auch die Tatsache, dass Karius die Gehirnerschütterung während der Partie nicht bemerkt habe, sei nachvollziehbar. „Der mentale und physische Druck macht es aus, dass man gewisse Schmerzen nicht spürt“, erklärte Krutsch. In einem ChampionsLeague-Finale sei das dann schlicht eine „Maximalversion des Unglücks“.
Der von den Ärzten beschriebene Vorfall lässt Madrids Sergio Ramos, der zuvor in der Partie auch für die Verletzung von Reds-Stürmerstar Mohamed Salah gesorgt hatte, aus Liverpooler Sicht immer mehr als Buh- mann erscheinen. Schließlich war es Ramos, der Karius in der 49. Minute mit dem Ellbogen am Kopf getroffen hatte. Der Keeper war daraufhin zu Boden gegangen. Zwei Minuten später warf Karius den Ball, möglicherweise wegen der Sehstörung, direkt auf den Fuß von Real-Stürmer Karim Benzema – der so das 1:0 für Madrid erzielte. Kurz vor Schluss rutschte Karius auch noch der Ball nach einem harmlosen Distanzschuss von Gareth Bale durch die Hände.
Ramos selbst nahm die Erkenntnisse mit viel Sarkasmus auf. „Jetzt fehlt nur noch, dass Firmino behauptet, er habe sich eine Erkältung zugezogen, weil er einen Tropfen Schweiß von mir abbekommen hat“, sagte er der Zeitung „AS“.
Immerhin bescheinigten die USÄrzte ihrem Patienten, dass Karius „seit dem Ereignis stetige und deutliche Fortschritte“mache: „Auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse gehen wir von einer vollständigen Erholung aus.“
Das ärztliche Bulletin wurde von den englischen Medien, die Karius nach dem Finale heftig kritisiert hatten, mit großem Interesse aufgenommen. Zuvor waren die meisten Medien auf der Insel der Meinung, dass Karius trotz eines Vertrags bis 2021 keine Zukunft an der Anfield Road habe. Karius selbst wollte die Steilvorlage der Ärzte vorerst nicht nutzen, um sich in einem besseren Licht darzustellen. Laut Berater wolle sich der Torhüter, der unmittelbar nach dem Endspiel in Kiew untröstlich war, nicht äußern. Erst beim Trainingsauftakt der Reds werde Karius wieder Rede und Antwort stehen.