Der Freispruch dürfte Schatten werfen
Radsport-Weltverband UCI lässt Chris Froome bei der Tour starten – Doch Fragen bleiben
BERLIN (dpa/SID) - Freifahrtschein für Chris Froome: Der Weltverband UCI hat den britischen Radprofi nach einer quälend langen Prüfung über neun Monate vom Dopingverdacht freigesprochen. Damit kann der umstrittene Seriensieger am Samstag in Noirmoutier-en-l’Île bei der 105. Tour de France starten. Die UCI untersuchte den Fall seit dem 7. September 2017, nachdem beim Kapitän des Teams Sky überhöhte Werte des Asthmamittels Salbutamol gemessen worden waren.
Keine 24 Stunden nachdem sich der Tour-Veranstalter ASO zu einem juristisch riskanten Startverbot gegen den Briten durchgerungen hatte, weil die lange angemahnte Verbandsentscheidung ausgeblieben war, kam das UCI-Verdikt. Das akzeptiert jetzt auch Tour-Chef Christian Prudhomme, die von ihm ausgesprochene Froome-Verbannung ist vom Tisch. Die „höhere Instanz“habe entschieden, sagte der Franzose dem Radiosender Franceinfo.
Tour-Veranstalter beugen sich
Das UCI-Urteil war natürlich nach dem Geschmack Froomes, der sich bei der Tour von einem Bodyguard begleiten lassen wird. „Die heutige Entscheidung zieht einen Schlussstrich. Das bedeutet, dass wir alle weitermachen und uns auf die Tour de France konzentrieren können“, sagte der 33-Jährige in einer Stellungnahme seines Teams. „Die vergangenen Monate waren sehr emotional“, twitterte Froome überdies. Allerdings habe er nie Zweifel am Ergebnis der Ermittlungen gehabt – „aus dem einfachen Grund, weil ich nichts falsch gemacht habe. Ich leide seit meiner Kindheit an Asthma. Ich kenne die Regeln bezüglich der Medikation genau.“
Zusammen mit namhaften Anwälten aus London hat Froome offensichtlich darlegen können, dass bei der erhöhten Salbutamol-Dosierung keine Manipulationsabsicht vorlag. In ähnlichen Fällen waren in den vergangenen Jahren die italienischen Profis Alessandro Petacchi und Diego Ulissi gesperrt worden.
„Ich benutze den Inhalator nur, um die Symptome innerhalb der erlaubten Grenzen zu behandeln“, gab Froome weiter zu Protokoll. Über dem erlaubten Limit von 1000 Nanogramm pro Milliliter Urin kann Salbutamol leistungssteigernd wirken.
Der Weltverband wertete die erhöhte Dosierung des Asthmamittels – Froome hatte während 18. Etappe der Spanien-Rundfahrt 2017 fast 100 Prozent über dem erlaubten Limit gelegen – auf Empfehlung der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA nicht als Doping. „Die Verbotsliste der WADA sieht vor, dass ein Athlet beweisen darf, dass sein abnormales Ergebnis die Folge einer erlaubten Verwendung war, wodurch der Fall nicht als Regelverstoß zu werten ist“, heißt es in dem UCI-Statement.
Nach den WADA-Regularien durfte der Brite bis zur Klärung der Sachlage weiterfahren. Er gewann in dieser Zeit im Mai zum ersten Mal den Giro d’Italia. Jetzt kann er seinen fünften Toursieg nach 2013, 2015, 2016 und 2017 ins Visier nehmen.
„Ich meine es auch so, wenn ich sage, dass ich niemals ein Siegertrikot entehren würde und dass sich meine Ergebnisse mit der Zeit bewähren werden.“
Chris Froome
Auch deutsche Profis hatten kein Verständnis für die lange Entscheidungsfindung beim Weltverband. „Das hätte viel früher geklärt werden müssen. Wäre das vom Namen her einem Fahrer wie mir passiert – ich wäre seit einem dreiviertel Jahr nicht mehr im Feld“, hatte der deutsche Lotto-Soudal-Fahrer Marcel Sieberg am Rand der nationalen Meisterschaften in Einhausen gesagt. „Es ist ätzend und geht mir voll auf den Zeiger“, schimpfte Sprinter Marcel Kittel. „Es ist echt scheiße, weil es sich ewig hinzieht.“Der viermalige Zeitfahrweltmeister Tony Martin, der ebenfalls das zähe Verfahren anprangerte („Das alles hätte man schon vor einem halben Jahr klären können“), sprach von einem „dunklen Schatten“über der Rundfahrt. Gänzlich wird der auch durch Chris Froomes Freispruch nicht verschwinden.