Photovoltaikanlage in der Kritik
Architekt der Fassade an Kißlegger Verkehrskommissariat wehrt sich gegen Vorwürfe
Architekt von Verkehrskommissariat Kißlegg wehrt sich gegen Vorwürfe.
KISSLEGG - Die im Frühjahr 2017 in Betrieb genommene Photovoltaikanlage am Kißlegger Verkehrskommissariat sorgt für Diskussionen: Der Rechnungshof des Landes hat die Wirtschaftlichkeit der Anlage kritisiert (die SZ berichtete). Der zuständige Architekt Robert Brixner würde diese Fassade aber jederzeit genau so wieder planen, sagt er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Die reine Ökonomie stehe hier einer Baukultur gegenüber, so der Architekt.
Zehn Reihen mit PhotovoltaikModulen verlaufen längs an der Südseite des Verkehrskommissariats, sie lassen sich von Hand drehen und dienen gleichzeitig als Energielieferant und als Sonnenschutz. Wer von der A96 kommend in Richtung Kißlegg fährt, dem ist die glänzende Fassade des Gebäudes parallel zur Wangener Straße bestimmt schon aufgefallen. Die Ausrichtung der Anlage sei allerdings nicht ideal. Nach Berechnungen des Rechnungshofs werde die Photovoltaikanlage in Kißlegg mit einer Spitzenleistung von nur sieben Kilowatt die Investitionskosten von mehr als 30 000 Euro während ihrer technischen Lebensdauer nicht erwirtschaften können. Das schreibt der Rechnungshof in der „Denkschrift 2018“. Bei konventionellen Dachanlagen mit größerer Modulfläche könnte das Land deutlich günstigere spezifische Preise erzielen. 30 000 Euro hat die Fassade des Erweiterungsbaus am Verkehrskommissariat inklusive Photovoltaik gekostet. Bauherr war das Land Baden-Württemberg, vertreten durch Vermögen und Bau, Ravensburg.
Die Rechnung gehe so aber nicht auf, sagt Architekt Robert Brixner. 15000 Euro hätten sowieso in die Fassade des Erweiterungsbaus investiert werden müssen, die 15 000 Euro Mehrkosten durch die integrierte Photovoltaikanlage würden die Module locker in ihrer Lebensdauer erwirtschaften. „Jedem war im Voraus bewusst, dass es wirtschaftlichere Anwendungen von Photovoltaikanlagen gibt“, sagt Brixner. Auf Flachdächern angeordnete Module zum Beispiel seien ja geläufig.
Man müsse aber bei diesem Fall mehr Aspekte berücksichtigen: Die Fassade benötigte sowieso einen Sonnen- und Blendschutz. „Gleichzeitig wird nun noch Strom gewonnen“, erklärt Brixner. Außerdem biete die Fassade noch Sichtschutz für die Polizisten im Inneren des Gebäudes. Dass die Module manuell und nicht automatisch an den Stand der Sonne angepasst werden müssen, sei bekannt und gewollt gewesen. „Eine Automatisierung bringt unwesentlich mehr Effizienz“, erklärt Brixner. Natürlich sei die Wirtschaftlichkeit in der Planung ständig abgewogen worden.
Im Fokus: ansprechende Optik
Besonders im Fokus habe bei der Wahl, die Photovoltaikanlage in die Fassade zu integrieren, aber die architektonisch anspruchsvolle Optik der Fassade gestanden. Einmalig sei diese Form im württembergischen Allgäu, hatte Brixner bei der offiziellen Einweihung des Erweiterungsbaus im Oktober 2017 gesagt. „Und ich würde sie zu 100 Prozent erneut so bauen“, sagt der Architekt jetzt. Er möchte sich auch weiterhin für eine optisch ansprechende und gleichzeitig nachhaltige Baukultur im Land einsetzen. Ihn treibe das Thema rund um verschiedene Arten der Energiegewinnung persönlich bei seinen Projekten an.
Für die Fassade am Verkehrskommissariat erhielt Brixner im vergangenen Jahr den Hugo-Häring-Preis vom Bund Deutscher Architekten (BDA). „Deutlich wird, dass mit den eingesetzten Mitteln – insbesondere Solartechnik – gestalterisches Neuland im Sinne einer fein ausgewogenen technischen Eleganz betreten wird“, wird die Auszeichnung auf der Website des BDA unter anderem begründet. Auch vom „Bauforumstahl“, gemeinsam mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, erhielt der Architekt eine Auszeichnung für die Fassade.
„Haustür von Kißlegg“
„Das Gebäude ist auch ein wenig wie die Haustür von Kißlegg“, hatte Kißleggs Bürgermeister Dieter Krattenmacher im Oktober 2017 bei der Einweihung über die neue Fassade gesagt. Den Vorwurf des Rechnungshofs könne er nun nicht nachvollziehen, sagt Krattenmacher auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Der Sicht- und Blendschutz kombiniert mit der Stromgewinnung sei gelungene Architektur.