Eine Bilanz nach 40 Jahren Schuldienst
Roland Titel (GMS Amtzell) und Otto Kempter (GMS Argenbühl) berichten über Höhepunkte und Enttäuschungen in über 40 Jahren Schuldienst
Die Rektoren Otto Kempter und Roland Titel im gemeinsamen Interview.
AMTZELL/ARGENBÜHL - Roland Titel und Otto Kempter werden in den kommenden Tagen als Rektoren der Gemeinschaftsschulen in Amtzell und Argenbühl in den Ruhestand verabschiedet. Sie blicken beide auf 40 Jahre Schuldienst zurück und ziehen nun in einem gemeinsamen Gespräch mit SZ-Redakteurin Marlene Gempp eine Bilanz ihrer Laufbahnen als Lehrer und Rektoren, berichten von Höhepunkten und Enttäuschungen beim jeweiligen Aufbau der Gemeinschaftsschule und verraten auch die Pläne für den kommenden Ruhestand.
Herr Titel, Herr Kempter, der Abschied von Ihren Schulen steht kurz bevor. Was überwiegt: Vorfreude oder Wehmut?
Kempter: Eindeutig die Vorfreude. Titel: Meine Sekretärin meint, je näher der Tag der Verabschiedung rückt, desto mehr strahle ich sie an. Aber es ist doch gut, wenn man etwas gute Stimmung ins Büro bringt, oder?
Sie haben beide die Gemeinschaftsschulen mit aufgebaut. Sie Herr Kempter, in Eglofs und Sie, Herr Titel, in Amtzell. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Kempter: Da möchte ich vor allem die vergangenen 15 Jahre in den Blick nehmen. Zum einen der demografische Wandel, also immer weniger Kinder, und zum anderen die Entscheidungen der Eltern haben die Schule stark geprägt: Immer mehr Eltern wollten für ihre Kinder den Realschulabschluss oder höher. Im Nachhinein betrachtet ist unsere größte Errungenschaft in unserer Tätigkeit als Rektoren, dass wir eine gute und zukunftsträchtige Weichenstellung hinbekommen haben mit den Gemeinschaftsschulen. Wenn wir es nicht geschafft hätten, wäre zumindest meine Schule eine Grundschule geblieben und die Sekundarstufe wäre weggefallen. Es wurden damals viele Versuche gestartet, die Weichenstellung hinzubekommen. Titel: Ich erinnere mich zum Beispiel an das Jahr 2007. Damals war die Idee der Gemeinden, Verbundschulen einzurichten. Das hat der damalige Minister Rau aber abgelehnt. Wir beide und die damaligen Bürgermeister Köberle und Locherer haben bei dem Thema zusammengearbeitet.
Kempter: Die logische Konsequenz kam dann 2011 mit der neugewählten grün-roten Regierung. Als die Möglichkeit bestand, eine Gemeinschaftsschule zu beantragen, haben wir diese Gelegenheit beim Schopfe gepackt.
Titel: Und es wurde bei uns genauso wie in Argenbühl einstimmig vom Gemeinderat abgesegnet. Davon war ich wirklich begeistert. Kempter: Ich denke, die Gemeinden hatten genauso wie wir das Ziel, den Standort zu sichern. Und was mich am meisten motiviert hat: das längere gemeinsame Lernen. Das stand eigentlich schon immer auf meiner Agenda.
Titel: Unterschiedliche Begabungen stützen und fördern sich, ohne, dass die höhere Begabung an Qualität verliert. Das war die These und Kernaussage – und wir sehen heute, dass es stimmt.
Haben Sie alles erreicht, was Sie für die Entwicklung der Gemeinschaftsschulen erreichen wollten?
Kempter: Die Inklusion ist sicher ein Thema, die wir als Gemeinschaftsschulen uns besonders auf die Fahne geschrieben haben. Es kamen Schüler zurück in ihren gewohnten Klassenverbund, die nach der Grundschule eine FörderschulEmpfehlung hatten und die dann unglaubliche Erfolge auf der Gemeinschaftsschule erzielen konnten. Insgesamt hatten wir uns aber von der Inklusion mehr erhofft. Wir haben zum Beispiel aktuell für unsere Inklusionsschüler nur eine halbe Stelle.
Titel: Wir haben auch nur zwei bis vier Wochenstunden Förderung pro Kind. Die Inklusionsklassen haben aber eine unglaublich hohe soziale Kompetenz.
Wie ist Ihre ganz persönliche, bisherige Bilanz zu den Gemeinschaftsschulen?
Kempter: Es war eine große Herausforderung mit offenem Ausgang. Wir konnten immer wieder Sorgen besänftigen. Bisher ist es ein Riesen- erfolg, was man zum Beispiel am guten Abschneiden unserer Schüler erkennen kann. Die Zeit war sehr intensiv, ich möchte das nicht mehr missen.
Titel: Es war anstrengend, wir mussten ständig vorausschauend arbeiten, die Kollegen motivieren. Es war unglaublich viel Arbeit, es hat aber auch unglaublich viel Spaß gemacht.
Was waren Ihre persönlichen Höhepunkte als Lehrer oder Rektoren?
Titel: In meiner langen Laufbahn habe ich alles miterlebt: Die Entwicklung der Werkrealschule, die Ganztagsbetreuung, der Aufbau einer Gemeinschaftsschule mit hohem Niveau und Standard. Das war vermutlich auch für die Kommune die weitestreichende Entwicklung.
Was mich persönlich besonders freut, sind zufriedene Lehrer im Lehrerzimmer und wenn ich auf dem Schulhof lächelnden Schülern begegne, die gerne zur Schule kommen. Kempter: Ein Höhepunkt ist auch immer wieder die Zeugnisübergabe. Wenn man sieht, wie die Schüler zu reifen Menschen geworden sind und man ihnen Fairness und Anstand mit auf den Weg gegeben hat. Wenn ein Geschenk oder nette Worte zurückkommen, ist das immer schön. Höhepunkte waren sicherlich auch die verschiedene Studienreisen. Wir waren bei einem Zuckerfest in der Türkei, hatten Projekte in Ungarn, Italien und Polen. Das ist immer nett, die Schüler als Menschen außerhalb der Schule kennenzulernen.
Auf was freuen Sie sich jetzt im Ruhestand am meisten?
Kempter: Ohne Zeitdruck zu sein. Und natürlich mehr Zeit für die Familie zu haben. Ich werde mich nun noch mehr um meine Enkel kümmern können. Nach der Verabschiedung fahren meine Frau und ich aber erst einmal mit dem Wohnmobil durch Kanada. Da gewinnt man bestimmt ganz schnell Abstand. Titel: Ich plane auch erst einmal Urlaub in Spanien, dann wollen wir uns noch Kambodscha anschauen. Ich kann noch nicht ganz sagen, was mir fehlen wird. Die Schüler und die Kollegen natürlich auf jeden Fall. Ich habe letztes Jahr beschlossen „die Gemeinschaftsschule ist abgeschlossen, jetzt kannst du in Ruhestand gehen“. Wir blicken auf Erfolge zurück und jetzt in die Zukunft. Kempter: Ich denke, wir haben beide den richtigen Zeitpunkt erwischt. Die Schulen laufen, wir gehen mit einem guten Gefühl.
Sie kennen sich beide schon lange und sind auch zusammen aufs Wirtschaftsgymnasium gegangen. Gibt es eine Anekdote, an die Sie sich heute noch erinnern?
Kempter: Tatsächlich hatten wir einmal einen Wettbewerb auf dem Schulhof, wer sich am Längsten auf dem Schneehaufen halten kann. Da gab es dann mal eine Abreibung mit Schnee. Danach war es aber abgehakt, wir haben seitdem immer gut zusammengearbeitet.
Titel: Daran erinnere ich mich gar nicht mehr! Aber ja, das hatten wir dann schnell abgehakt. Ich erinnere mich noch daran: Als wir älter waren gab es immer donnerstags einen Schülergottesdienst. Und wo waren wir? Im Fidelisbäck...