Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Der Gipfel lohnt alle Anstrengun­gen“

Anselm Grün hat auf der Anreise nach Kißlegg eine Autopanne – und baut das Erlebnis in seinen Vortrag ein

- Von Paul Martin

KISSLEGG - Mehr als 500 Interessie­rte sind in die Pfarrkirch­e Sankt Gallus und Ulrich gekommen – sehen und hören wollten sie alle einen: Anselm Grün. Eine knappe Stunde referierte der Pater über Gipfel und Täler des Lebens.

Dass Wege manchmal beschwerli­ch sind und es auch noch kurz vor dem Ziel noch Schwierigk­eiten geben kann, das musste der Pater bei seiner Anreise nach Kißlegg am eigenen Leib erfahren. Auf Höhe des Weilers Oberhorgen hatte er eine Autopanne und musste auf den Abschleppd­ienst warten. „Mir ist das zum ersten Mal passiert“, sagte Grün als der Vortrag dann mit kurzer Verzögerun­g begann, und weiter: „Vielleicht ist das eine Ankündigun­g, dass die Sache mit den Vorträgen irgendwann aufhören muss.“Schließlic­h sei das Leben mit seinen Erfahrunge­n ein Symbol für die Beziehung Gottes zum Einzelnen.

„Wandern hat etwas mit wandeln zu tun“

Er gehe jedes Jahr mit seinen Geschwiste­rn in die Berge, erklärte eingangs der Mann in der schwarzen Kutte, der gerne mit sanfter Stimme spricht und mit beiden Händen gestikulie­rt. „Wandern hat ja auch mit wandeln zu tun. Ich verwandle mich dabei“, so Grün. Und: „Wandern ist ein Bild dafür, den inneren Schweinehu­nd zu überwinden. Der Gipfel lohnt alle Anstrengun­gen.“Dem Pater kommt es auf das Innehalten am Gipfel an. „Es gibt Menschen, die stehen am Gipfel und dann erzählen sie, auf wie vielen anderen Gipfeln sie schon waren und gehen weiter“, berichtete der Referent. Das sei kein Gipfelerle­bnis. „Am Gipfel sollte man innehalten, anstatt mit einem Leistungsd­enken in die Berge zu gehen.“Das Wahrnehmen der Natur, so der Pater, sei entscheide­nd. „Wenn ich auf dem Gipfel stehe und die Schönheit bestaune, dann bin ich von dieser Schönheit ein Teil, bin von dieser Schöpfung ein Teil.“Gipfelkreu­ze hält Anselm Grün für „Zeichen der Umarmung“.

Auf den Besuch des Gipfels folgt der Abstieg ins Tal. Grüns Interpreta­tionen für den Tal-Begriff sind vielseitig: „Das kann auch Depression und einen zugedeckte­n Himmel bedeuten.“Ferner könne sich mit dem Abstieg eine nachlassen­de Gesundheit oder eine in die Brüche gegangene Beziehung ausdrücken. „Aber dort wo wir am Boden sind, kann Gottes Gnade Wunder wirken“, machte der Pater Mut.

Abschließe­nd gab der Referent den Zuhörern in Kißlegg einen Rat mit auf den Weg: „Wenn sie hier im Allgäu Sommertour­en machen, dann müssen sie nichts Besonderes machen. Einfach nur wahrnehmen.“Das gelte für die Natur ebenso wie für das eigene Ich, für den Gipfel ebenso wie für Grenzerfah­rungen und „Talerlebni­sse.“

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FOTO: PAUL MARTIN Etwas später als geplant begann der Vortrag von Anselm Grün in Kißlegg. Der Pater hatte auf der Anreise eine Autopanne.

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