„Der Gipfel lohnt alle Anstrengungen“
Anselm Grün hat auf der Anreise nach Kißlegg eine Autopanne – und baut das Erlebnis in seinen Vortrag ein
KISSLEGG - Mehr als 500 Interessierte sind in die Pfarrkirche Sankt Gallus und Ulrich gekommen – sehen und hören wollten sie alle einen: Anselm Grün. Eine knappe Stunde referierte der Pater über Gipfel und Täler des Lebens.
Dass Wege manchmal beschwerlich sind und es auch noch kurz vor dem Ziel noch Schwierigkeiten geben kann, das musste der Pater bei seiner Anreise nach Kißlegg am eigenen Leib erfahren. Auf Höhe des Weilers Oberhorgen hatte er eine Autopanne und musste auf den Abschleppdienst warten. „Mir ist das zum ersten Mal passiert“, sagte Grün als der Vortrag dann mit kurzer Verzögerung begann, und weiter: „Vielleicht ist das eine Ankündigung, dass die Sache mit den Vorträgen irgendwann aufhören muss.“Schließlich sei das Leben mit seinen Erfahrungen ein Symbol für die Beziehung Gottes zum Einzelnen.
„Wandern hat etwas mit wandeln zu tun“
Er gehe jedes Jahr mit seinen Geschwistern in die Berge, erklärte eingangs der Mann in der schwarzen Kutte, der gerne mit sanfter Stimme spricht und mit beiden Händen gestikuliert. „Wandern hat ja auch mit wandeln zu tun. Ich verwandle mich dabei“, so Grün. Und: „Wandern ist ein Bild dafür, den inneren Schweinehund zu überwinden. Der Gipfel lohnt alle Anstrengungen.“Dem Pater kommt es auf das Innehalten am Gipfel an. „Es gibt Menschen, die stehen am Gipfel und dann erzählen sie, auf wie vielen anderen Gipfeln sie schon waren und gehen weiter“, berichtete der Referent. Das sei kein Gipfelerlebnis. „Am Gipfel sollte man innehalten, anstatt mit einem Leistungsdenken in die Berge zu gehen.“Das Wahrnehmen der Natur, so der Pater, sei entscheidend. „Wenn ich auf dem Gipfel stehe und die Schönheit bestaune, dann bin ich von dieser Schönheit ein Teil, bin von dieser Schöpfung ein Teil.“Gipfelkreuze hält Anselm Grün für „Zeichen der Umarmung“.
Auf den Besuch des Gipfels folgt der Abstieg ins Tal. Grüns Interpretationen für den Tal-Begriff sind vielseitig: „Das kann auch Depression und einen zugedeckten Himmel bedeuten.“Ferner könne sich mit dem Abstieg eine nachlassende Gesundheit oder eine in die Brüche gegangene Beziehung ausdrücken. „Aber dort wo wir am Boden sind, kann Gottes Gnade Wunder wirken“, machte der Pater Mut.
Abschließend gab der Referent den Zuhörern in Kißlegg einen Rat mit auf den Weg: „Wenn sie hier im Allgäu Sommertouren machen, dann müssen sie nichts Besonderes machen. Einfach nur wahrnehmen.“Das gelte für die Natur ebenso wie für das eigene Ich, für den Gipfel ebenso wie für Grenzerfahrungen und „Talerlebnisse.“