Im dritten Anlauf wird fast alles gut
Uwe Eric Laufenbergs „Parsifal“-Inszenierung in Bayreuth merzt einige Ungereimtheiten aus
BAYREUTH - Ein neuer Dirigent, neue Sänger in zwei Hauptpartien, eine leicht gestraffte Regie: Im dritten Jahr von Uwe Eric Laufenbergs Inszenierung des Bühnenweihfestspiels „Parsifal“kommt die „Werkstatt Bayreuth“zum Tragen. Oder vielleicht hat man sich auch nur an den Kulturenmix von christlicher Kapelle im Zweistromland und arabischem Hamam gewöhnt. Und eine Regendusche, wie sie im dritten Aufzug zum Karfreitagszauber installiert ist, hätte sich bei den herrschenden Temperaturen im und ums Festspielhaus wohl so mancher gewünscht.
Im verdeckten Orchestergraben, dem „mystischen Abgrund“, der die dunklen Glockenklänge, die satten Streicher und die aufflammenden Fanfaren der Bläser so faszinierend zu einem großen Ganzen verschmilzt, waltet ab diesem Jahr der russische Dirigent Semyon Bychkov. In großer Ruhe und mit langem Atem breitet er den Fluss der Melodien und Klangwogen aus, bringt die Sänger damit auch manchmal in Bedrängnis. Doch ist sein Dirigat ebenso getragen von dynamischer Energie und Aufwallungen in den Zwischenspielen. Die durchweg hervorragenden Sänger – eingeschlossen natürlich Elena Pankratova mit ihrem dunkel glühenden Mezzosopran und die sinnlich zwitschernden Blumenmädchen im Bauchtanzkostüm – können sich von ihm tragen lassen.
Der österreichische Bassist Günther Groissböck ist in diesem Jahr Gurnemanz: kernig und volltönend, wortdeutlich ist auch er, die langen Erzählungen meistert er ohne Mühe. Der Charakter ist widerständiger, robuster als bei seinem Kollegen Georg Zeppenfeld, doch vermisst man ein wenig dessen elegante Legato-Kultur. Neu ist auch Thomas J. Mayer als menschlicher, leidender Amfortas mit großer Stimme, die er im dritten Akt nach den Anschuldigungen der Brüder brüchig und zerbrechlich wirken lässt. Die Enthüllung des Grals im ersten Akt, wenn bei Laufenberg Amfortas’ Blut fließen muss, hat etwas mehr von ihrer Peinlichkeit verloren.
Dennoch: All die Rituale, brüderlichen Umarmungen, Aufmärsche der Gralshüter wirken aufgesetzt. Kein Wunder, dass der naive Parsifal das nicht versteht. Ungebrochen ist die Begeisterung für die stimmgewaltigen Männerchöre, die im ersten Akt so innig erfüllt singen, im dritten Akt aber einen wütend fordernden Volkszorn auf Amfortas entfachen. Der Welt entrückt, als Stimmen aus der Höhe tönen die Frauenstimmen in kultiviertem Pianissimo – Chordirektor Eberhard Friedrich durfte einmal mehr den Jubel des Publikums entgegennehmen.
Andreas Schager, der gefragte österreichische Heldentenor, wirkt in seinem zweiten Jahr in der Titelrolle nochmals souveräner. Seiner hell timbrierten Stimme glaubt man die jugendliche Prahlerei im ersten Akt, auch das lockere Tändeln mit den ihn umgarnenden Blumenmädchen. Doch auch die stimmliche Wandlung, wenn er durch den Kuss Kundrys die Wahrheit über Amfortas‘ Wunde erkennt, ist beeindruckend: große Ausbrüche, tenoraler Glanz, Ernsthaftigkeit im Auftreten und am Ende eines langen heißen Abends auch noch ein tragendes Piano in hoher Lage meistert er mit leuchtender Intensität.
Nicht alle Fragen beantwortet
Ob Parsifal aber wirklich der Heilsbringer für die Gralshüter ist, das bleibt bei Laufenberg fraglich: Der Held bleibt allein, das Bühnenbild löst sich auf, Nebel wabert über die Bühne wie Steinstaub nach einem Felssturz. Schließlich wuchtet Parsifal einen schweren Stein in den Sarg, den Anhänger verschiedenster Religionen mit Opfergaben gefüllt haben. Sinnbild für die Aufgaben, die vor ihm liegen?
Elena Pankratova erfüllt die ebenso facettenreiche wie rätselhafte Rolle der Kundry mit zahlreichen Farben: zurückhaltend unterwürfig, verführerisch mit glühender Kraft im zweiten Aufzug, stöhnend im dritten. Ihre Bühnenpräsenz als alte, zitternde Frau, wenn sie eigentlich nur noch zwei Worte zu singen hat, nötigt Bewunderung ab. Derek Welton verkörpert den dämonischen Klingsor mit markantem Bariton.
Die „Werkstatt Bayreuth“und die magische Akustik im Festspielhaus wirken wieder zusammen: Das, was im ersten Jahr lächerlich und ein Aufreger war, wurde abgeschliffen, verwandelt, steht nicht mehr im Vordergrund. Immer noch begegnen sich christliche Mönche, Soldaten mit Maschinenpistolen und Touristen in einer Kapelle mit Einschusslöchern. Klingsor hat sich weiterhin mit einer Sammlung von Kruzifixen umgeben, geißelt sich und gebietet zugleich über einen Harem von Blumenmädchen. Auch die Hippie-Gruppe zum Karfreitagszauber hat ihren wohl nur dem Regisseur verständlichen Hintergrund.
Nicht, dass nun alle Fragen aufgelöst wären in Laufenbergs Inszenierung, doch die Musik, die für diesen Raum geschaffen wurde, darf noch mehr raunen, verzaubern und verklären.