Der stete Zwang zum Maximalen
Hoffenheim, Stuttgart und Freiburg gehen mit unterschiedlichen Zielen in die neue Saison
STUTTGART - Beim Zwang nach Leistungsmaximierung und -optimierung machen Sportler und ihre Clubs vor nichts Halt. Nicht vor Doping mit körpereigenen oder -fremden Substanzen. Nicht vor Raubbau am eigenen Körper. Nicht vor Experimenten mit abstrusen Ernährungsphilosophien. Nicht vor Psychogurus. Und schon gar nicht vor Trainer- und Spielerwechseln. Und doch: Drei Clubs werden am Ende wieder absteigen müssen in der Fußball-Bundesliga, die am Freitag mit der Partie des FC Bayern gegen die TSG Hoffenheim beginnt. Allerdings nicht: die TSG, die die Wettanbieter auf Rang sechs einstufen, der VfB Stuttgart, der als achtstärkstes Team eingeschätzt wird und auch nicht der SC Freiburg, der sich angeblich als 15. rettet.
Hoffenheim
In wäre man mit jenem Rang sechs im Mai gar nicht zufrieden – zumindest nicht, wenn es nach Trainer Julian Nagelsmann geht, dem keine Methode und keine Taktik zu krude, zu ungewöhnlich oder zu fordernd sind, um sie nicht mal selbst auszuprobieren. Um nicht Gefahr zu laufen, im letzten Jahr vor dem Weggang nach Leipzig als „lame duck“zu gelten, hat der 31-Jährige gleich mal das Optimum als Ziel ausgegeben. „Wir wollen das Ergebnis der Vorsaison toppen. Ich strebe immer nach dem Maximalen. Und das Maximale ist der Titel“, sagte Nagelsmann, der die TSG in der Vorsaison nach starkem Endspurt auf den dritten Platz und zur ersten Teilnahme an der Champions League geführt hatte.
Hochmut und Arroganz kommen erfahrungsgemäß vor dem Fall, und auch Hoffenheim sollte sich nicht wundern, wenn Nagelsmanns Schuss nach hinten losgeht: Die Torjäger Mark Uth und Serge Gnabry sind nicht mehr da, Kerem Demirbay, Nadiem Amiri, Dennis Geiger, Lukas Rupp und Benjamin Hübner fallen langfristig aus. Und die sieben Neuen – etwa Grifo, Belfodil oder Bittencourt – müssen trotz ihres hochmotivierten Trainers erstmal zeigen, dass sie gleichwertige Ersatzkräfte sind – zumal angesichts der ungewohnten Doppelbelastung. Den Spielern scheinen die großen Töne des Trainers dennoch nicht unangenehm zu sein. „Er strebt natürlich nach dem Maximalen. Ich bin ebenso ein Freund davon, groß zu denken“, sagt Kapitän Kevin Vogt. Nagelsmanns Abgang nach Saisonende sei für die Mannschaft kein Problem: „Er hat sich eindeutig positioniert, das ist sehr gut angekommen, und damit war das Thema durch.“
Wer auf Nagelsmann folgt, ist noch offen: „Wir haben klar gesagt, dass wir im Winter Klarheit haben möchten. Wir machen uns keinen Druck, jetzt schon ins Detail zu gehen“, sagt Sportchef Alexander Rosen.
VfB Stuttgart
Beim herrscht derweil wieder eine etwas verunsicherte Stimmung angesichts der 0:2-Pokalpleite beim Drittligisten Rostock. „Es ist immer gefährlich, wenn in der Vorbereitung alles super läuft und alle große Erwartungen schüren“, sprach Mittelfeldspieler Dennis Aogo danach, tatsächlich ist die Frage, ob Hansa der Dämpfer zur rechten Zeit war für die Stuttgarter. Zwar war der VfB in der Rückrunde unter dem neuen Trainer Tayfun Korkut, der 2,2 Punkte im Schnitt holte (31 in 14 Spielen) die zweitbeste Mannschaft, doch Verdienste der Vergangenheit sind eben nicht die der Gegenwart. Größtes Manko beim VfB könnte sein, dass in der Abwehr der große Stabilisator fehlt. Weltmeister Benjamin Pavard hat noch Trainingsrückstand, ohnehin besteht die Gefahr, dass der Franzose nach der WM in ein mentales Loch fallen könnte – zumal er nun stets an seinen WM-Leistungen gemessen werden dürfte. Sollte Pavard wider Erwarten doch noch den VfB in diesem Sommer Richtung FC Bayern verlassen, wird der Club keinen Ersatz verpflichten. Korkut sagt: „Einen Plan B brauchen wir nicht. Wir können das intern auffangen.“Mit Badstuber, Baumgartl, Kempf und Kaminski stehen vier weitere Innenverteidiger im Kader.
Größte Gefahr für den VfB ist die Eigendynamik, die ein schwacher Start verursachen könnte – auch mental. Niederlagen in den ersten Partien in Mainz, gegen Bayern und in Freiburg, und die zarte Korkut-Euphorie wäre schon wieder hinüber am Neckar. Immerhin: Verstärkt hat sich Stuttgart auf den ersten Blick gut. Der Kader ist nun breiter aufgestellt und bietet dem Coach mehr taktische Möglichkeiten, Rang sechs bis acht dürfte realistisch sein.
SC Freiburg,
Bliebe noch der der selbst ernannte Ausbildungsverein, der die Verluste der Innenverteidiger Caglar Söyüncü und Marc Oliver Kempf zu verkraften hat. Dafür sicherte er sich den sturmerprobten Kölner Dominique Heintz sowie Luca Waldschmidt und Jerome Gondorf, die in der Offensive für Belebung sorgen sollen. Trumpf der Badener ist ähnlich wie in Hoffenheim und beim VfB der Trainer. „Ich hoffe schon, dass wir spielerisch noch einmal mehr Qualität bekommen haben“, sagt Christian Streich. „Wir wollen Fußball spielen, und das war letztes Jahr nur bedingt möglich.“Da mauerten die Freiburger eher.
Wirklich trauen kann Streich dem eigenen Gefühl übrigens nicht. „Das ist immer so eine Sache. Wenn ich sage, ich habe ein gutes und dann verlieren wir die ersten drei Spiele, was bringt mir das?“Sein Torjäger Nils Petersen sieht es ähnlich. „Es wäre ziemlich peinlich, wenn ich überall rumposaune, was wir für eine tolle Mannschaft beisammen haben, und dann haben wir in der Winterpause zehn Punkte.“Außerdem wissen auch die Freiburger, dass die Aufsteiger Nürnberg und Düsseldorf mit viel Euphorie ans Werk gehen werden und keineswegs bereits die festen Absteiger sind.