Der lange Weg zu mehr Fachkräften
Kabinett beschließt Eckpunktepapier – Beim „Spurwechsel“bleibt die Koalition vage
BERLIN - Köche, Pfleger, Elektriker – überall fehlen Fachkräfte. Jetzt hat die Bundesregierung einen ersten Aufschlag für ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz gemacht, und die Große Koalition rühmt sich selbst. Innenminister Horst Seehofer (CSU) ist ebenso zufrieden wie Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), die gemeinsam das Eckpunktepapier in der Bundespressekonferenz vorstellen. Kurz vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen Mitte und Ende Oktober demonstriert die Große Koalition Geschlossenheit. Und die Wirtschaft lobt die Regierung für ihren Ansatz, mehr Fachkräfte ins Land holen zu können.
Die Kernpunkte des Papiers
Die Tür zum deutschen Arbeitsmarkt wird für Fachkräfte aus Drittstaaten weiter geöffnet. Eine umfassende Fachkräftestrategie soll 2019 beschlossen werden.
Bei Frauen sollen „ungenutzte Potenziale“erschlossen werden. Hier spielen Weiterbildungsprogramme eine große Rolle.
Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Einwanderung wird festgehalten. Gleichzeitig sollen aber Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter gefunden werden, die durch ihre Erwerbstätigkeit bereits gut integriert sind und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen.
Die Fachkräfteeinwanderung soll sich am Fachkräftebedarf der Wirtschaft orientieren. Grundsätzlich sollen nur Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung gewonnen werden.
Vorrangprüfungen zum Schutz deutscher Arbeitnehmer soll es nur noch in Arbeitsmarktregionen mit überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit geben.
Alle Fachkräfte sollen die Möglichkeit haben, sechs Monate in Deutschland auf Arbeitssuche zu sein, sofern sie gut Deutsch sprechen und sich selbst finanzieren können.
Die Anerkennung ausländischer Qualifikationen soll schneller möglich und unbürokratischer werden.
Beratungsangebote im Ausland sollen ausgeweitet werden.
In Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sowie Gesundheits – und Pflegeeinrichtungen soll eine bedarfsorientierte und gezielte Werbestrategie zur Gewinnung von Fachkräften erarbeitet werden.
Das Angebot an deutschen Sprachkursen im Ausland soll ausgeweitet werden.
Besonders umstritten war im Vorfeld des Koalitionsausschusses der sogenannte „Spurwechsel“. Sollen junge Flüchtlinge, die hier schon in Arbeit sind, da bleiben dürfen? Mit dem Kompromiss sind nun beide Koalitionäre zufrieden. Die Union, weil das Wort Spurwechsel vom Tisch ist und betont wird, dass Asyl und Einwanderungsgesetz zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Aber auch die SPD, die immer wieder darauf hinwies, dass es doch nicht sein kann, dass bereits gut integrierte Arbeitskräfte in ihre Heimatländer abgeschoben werden. Bislang konnten sie vor allem nach der 3-plus-2-Regelung (drei Jahre Ausbildung, zwei Jahre als Arbeitskraft) in Deutschland bleiben, künftig sollen sie bleiben dürfen.
Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth (CDU) betont, dass damit Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme ausgeschlossen wurde und es bei einer klaren Trennung zwischen Asyl und Migration bleibe. „Dementsprechend wird es auch keine Stichtagsregelung geben.“Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sicherte den Betroffenen aber einen „verlässlichen“Status zu. Wie der aussehen soll, ist noch offen.
Neu ist auch, dass Arbeitssuchende künftig ein halbes Jahr nach Deutschland kommen können, sofern sie einen anerkannten Berufsabschluss und deutsche Sprachkenntnisse besitzen. Der Bezug von Sozialhilfe soll ausgeschlossen sein. „Diese sogenannte Potenzialeinwanderung war bereits wesentlicher Bestandteil des Gesetzentwurfes eines Einwanderungsgesetzes der SPD-Bundestagsfraktion“, sagt SPD-Fraktionsvize Eva Högl.