So vielfältig ist die Hilfe aus dem Allgäu
Hergatzer Delegation ist im Libanon für „Kommunales Know-How im Nahost“
HERGATZ/AMTZELL/KISSLEGG/OPFENBACH - Eine Schule, ein medizinisches Versorgungszentrum, Sonnenstromanlagen. Diese Projekte in verschiedenen Kommunen des Libanon fassen die Westallgäuer Gemeinden Hergatz und Opfenbach gerade ins Auge und haben Delegationen in den Nahen Osten entsendet. Die Projekte, die sie im Rahmen der vom Entwicklungsministerium finanzierten Initiative „Kommunales Knowhow für Nahost“entwickeln, beschränken sich nicht auf Gebäude und Einrichtungen. Die Allgäuer wollen auch Impulse geben für kommunale Abläufe und bürgerschaftliche Aktivitäten. Auch die Gemeinden Amtzell und Kißlegg wollen ihre Unterstützung vertiefen.
Die Schule in Al Mohamara im Nordlibanon platzt aus allen Nähten. Vor allem nachmittags, wenn 600 Buben und Mädchen aus Syrien geflüchteter Familien unterrichtet werden, reichen Schulräume und Mobiliar des vor zehn Jahren für 300 Kinder errichteten Container-Komplexes nicht aus. Dann pressen sich bis zu vier Kinder hinter jeden Schultisch und in der Vorschule sitzt ein Teil der Gruppe auf dem Boden. Vormittags unterrichten die Lehrer den Nachwuchs der eigenen Gemeinde. Bei ihrer Sondierungsreise vor knapp einem Jahr hatten Westallgäuer Gemeindevertreter die Schule von Al Mohamara besucht, die im Schichtbetrieb arbeiten muss, um auch den Kindern der Geflüchteten Bildung anzubieten. In der 8000-Einwohner-Gemeinde leben 10 000 Geflüchtete. Außerdem gibt es ein Flüchtlingscamp mit 40 000 Palästinensern in dem Gemeindegebiet.
Versorgungszentrum entsteht
Die Gemeinde Opfenbach will helfen, die Schule zu erweitern. In den vergangenen Tagen war eine Delegation vor Ort. Christian Renn, der als Koordinator die Projekte der Gemeinden Hergatz, Opfenbach und Amtzell begleitet und die Reise vorbereitet hat, fasst das Ziel so zusammen: „Es geht um eine Bestandsaufnahme und um einen Umsetzungsplan.“Welche Dimension die Erweiterung haben wird, könne sich erst vor Ort weisen. Als Fördersumme stehen ab 2019 250 000 Euro zur Verfügung.
Während die Opfenbacher am Mittwoch wieder abgereist sind, ist am selben Tag eine Gruppe aus Hergatz in Beirut eingetroffen. Sie will mit dem Ort Bwarej im Libanongebirge zusammenarbeiten. Der 3000Einwohner-Ort beherbergt 800 syrische Kriegsflüchtlinge. Dringendes Anliegen der Gemeinde ist ein medizinisches Versorgungszentrum. An einem neu erbauten Sportplatz hat sie bereits ein Gebäude errichtet, in dem ein Kinderarzt, ein Allgemeinmediziner und ein Zahnarzt praktizieren sollen.
Hergatz möchte Bwarej bei der Beschaffung der medizinischen Geräte und dem Bau einer FotovoltaikAnlage unterstützen. Denkbar wäre auch eine Energiegenossenschaft, an der sich die Bevölkerung beteiligen kann. Eine zuverlässige Stromversorgung sei für den Betrieb der Praxen vonnöten, erklärt Christian Renn. Außerdem könne überschüssiger Strom an Privathaushalte geliefert werden, um Einnahmen zur Finanzierung des laufenden Betriebs zu erwirtschaften. Aus Hergatz reisen die Gemeinderatsmitglieder Christian Renn, Heike Kirchmann und Manfred Scheuerl nach Bwarej, Karl Laukel bringt außerdem den Fotovoltaik-Fachmann Gianpolo Gottardo mit.
Die Gemeinde Amtzell ist ebenfalls seit Beginn Mitglied im Interkommunalen Libanon-Ausschuss Allgäu. Amtzell möchte der Gemeinde Rashiine bei der Lösung ihrer Abfallprobleme helfen. Die Biogasanlage in Korb könnte als Beispiel dienen. Ein erstes Projekt umfasst eine Machbarkeitsstudie und eine Umsetzungsplanung für eine solche Anlage im Libanon.
Im August waren dafür zwei Leute der Gemeindeverwaltung vor Ort, Ortsbaumeister Günter Halder sowie ein Ingenieur des zuständigen Büros. Sie haben sich angeschaut, ob eine Biogasanlage wie die in Korb auch in der libanesischen Gemeinde Rashiine gebaut werden kann. „Ziel der Gemeinde Amtzell ist nicht nur das Müllproblem vor Ort zu regeln, sondern die Gemeinde Rashiine, die bisher nur stundenweise an das Stromnetz angeschlossen ist, mit Energie zu versorgen“, erklärt Bürgermeister Clemens Moll. Auf dieses Projekt konzentriere sich die Gemeinde Amtzell.
Kißlegg kommt eventuell dazu
Auch Kißlegg überlegt sich, in das Projekt „Kommunales Know-How für Nahost“einzutreten. Beim Besuch der libanesischen Delegation im Allgäu im Mai diesen Jahres (die SZ berichtete) wurde auch die Pflanzen-Kläranlage in Schurtannen besichtigt. Gerade diese Einrichtung sei laut Gemeinde für den Libanon sehr interessant. Inwiefern sich Kißlegg weiter einbringt, müsse allerdings noch im Gemeinderat und mit deutschen Partnergemeinden wie Amtzell besprochen werden. Diese Gespräche sollen in den kommenden Wochen und Monaten folgen.
Die Stadt Weingarten steigt ebenfalls ins Programm „Kommunales Know-how für Nahost“ein. Angeregt wurde sie von den Allgäuer Aktivitäten, vor allem des früheren Amtzeller Bürgermeisters und Landtagsabgeordneten Paul Locherer. Weingarten will dem jungen Gemeindeverbund von Minieh im Nordlibanon beim Aufbau einer effizienten Gemeindestruktur helfen. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Weingarten-Ravensburg soll zudem ein Konzept für die Ausbildung ehrenamtlicher libanesischer Flüchtlingsbegleiterinnen erarbeitet werden.