Eine Fortbildung zum Kiesabbau und ihre Folgen
Eine falsche Mailadresse, eine vermeintlich einseitige Lehrerfortbildung und eine zurückgenommene Stellungnahme. Das sind die Eckpunkte einer weiteren Episode zum Kiesabbau in der Region. Sie zeigt: Der Konflikt um den Kies treibt die Menschen derart um, dass selbst Randgeschichten zur Thematik für Emotionen und reichlich Gesprächsstoff sorgen können.
Die Geschichte beginnt schon im vergangenen Frühjahr. Gabriele Kußmaul, Studiendirektorin am Wangener Rupert-Neß-Gymnasium (RNG), organisiert in ihrer Funktion als Fachberaterin des Regierungspräsidiums (RP) eine Lehrerfortbildung. Es geht um den Themenkomplex „Raumwirksamkeit wirtschaftlichen Handelns“, der im Bildungsplan für Gymnasien für das Fach Geographie steht. Kußmaul kontaktiert mögliche Referenten, und weil auch das aktuell viel diskutierte Thema „Kiesabbau in der Region“auf dem Programm stehen soll, gehen Anfragen an Wilfried Franke, Direktor des hiesigen Regionalverbands, an Rolf Mohr, Chef des Kieswerkbetreibers Meichle & Mohr in Grenis, und an Bruno Werner von Kreit, Sprecher der Interessengemeinschaft (IG) Grenis.Grund.
Während die ersten beiden zusagen, kommt die Mail an den Sprecher der IG, die sich gegen eine von Mohr geplante neue Kiesgrube im Altdorfer Wald nahe dem Vogter Teilort Grund ausspricht, erst gar nicht an. Der Grund: Die Adresse ist veraltet. Die Folge: Eine Reaktion von Von Kreit bleibt aus und Kußmaul engagiert schließlich nur Franke und Mohr als Referenten. Diese werden auch im Programm der Fortbildung angekündigt, die Ende August vom RP ausgeschrieben wird. An der Veranstaltung am 27. September nehmen dann rund 20 Gymnasiallehrer aus der Region teil. Am Vormittag geht es um „Nachhaltige Stadtentwicklung“samt Rundgang übers Gelände der früheren ErbaBaumwollspinnerei, das Bestandteil der Landesgartenschau 2024 sein wird. Am Nachmittag referiert zunächst Franke zum Thema „Wirtschaftliches Nutzungs- und Konfliktpotenzial des Kiesabbaus im Kreis Ravensburg“, anschließend geht es raus nach Grenis, wo Mohr den Pädagogen sein Kieswerk samt Asphaltmischanlage zeigt.
Am darauffolgenden Montag spricht sich der Wangener Gemeinderat in einer Stellungnahme gegen den geplanten Kiesabbau im Altdorfer Wald aus. Andreas Vochezer hält diesen zwar für ökologisch bedenklich, enthält sich aber bei der zwölf Punkte umfassenden Stellungnahme als einziger GOL-Rat der Stimme und begründet dies unter anderem mit noch fehlenden Sachinformationen. Vochezer, seines Zeichens Erdkunde-Lehrer am RNG, berichtet in der Sitzung auch von seiner Teilnahme an der Fortbildung wenige Tage zuvor. Den SZ-Bericht hierüber nimmt die IG GrenisGrund wenig später zum Anlass für eine offizielle Stellungnahme – deren Überschrift lautet „Meichle, Mohr und Mittagessen – ein delikates Bildungsangebot“.
Darin wundert sich die Interessengemeinschaft, warum angesichts des Konfliktpotentials in puncto Kiesabbau nicht „die andere Sicht der Dinge“repräsentiert gewesen sei und nicht Naturschutzvertreter oder Bürgermeister der Anliegergemeinden beteiligt worden sind. „Wo bleibt die gebotene Neutralität und Objektivität des Regionalverbandsdirektors vor den anstehenden eminent wichtigen Abstimmungen“, fragt die IG weiter und bezieht sich dabei auf ihr „bekannt gewordene Ausführungen während der Fortbildung“. Insbesondere die „einseitigen Vorwürfe von Dr. Mohr gegenüber Bürgervertretern“hätten bei einer staatlichen Weiterbildungsveranstaltung nichts verloren. Und abschließend: „In Sachen Fortschreibung des Regionalplans entsteht mehr und mehr der Eindruck, dass gerade diejenigen, die Sachlichkeit einfordern, diese Grenzen überschreiten.“
Zu Aussagen Einzelner will Andreas Vochezer auf Anfrage der SZ keine Aussagen machen, er wehrt sich jedoch vehement gegen die Vorwürfe der Interessengemeinschaft, dass nur eine Sichtweise zum Kiesabbau repräsentiert gewesen sei. So seien rund 20 Zeitungsartikel aufgehängt gewesen, bei denen „sämtliche Argumente der Kiesabbaugegner umfassend transportiert wurden“. Als Kopie sei zudem die vollständige Präsentation der IG Grenis.Grund von der Vogter Homepage zur Verfügung gestellt worden. „Der Vorwurf, wir hätten die Meinung der Kiesabbaugegner unterschlagen, ist lächerlich“, so Vochezer. Überdies sei es den teilnehmenden Lehrern bei der Besichtigung des Kieswerks in erster Linie um geografische Aspekte und die Anknüpfungspunkte zum Bildungsplan gegangen: „Die Rückmeldungen der Teilnehmer zum gesamten Tag waren außerordentlich gut, weil zahlreiche Anknüpfungspunkte für den Unterricht klar wurden.“
Vochezers Ausführungen gehen sowohl an die SZ als auch an die IG Grenis.Grund. Deren Sprecher zieht daraufhin „anlässlich dieser nicht erwarteten Entwicklung bzw. der inzwischen eingetretenen Situation insgesamt“die Stellungnahme zurück. Und kündigt an, mit dem RNG-Lehrer persönlich sprechen zu wollen. Eine „Rückkehr zur Sachlichkeit“hatte Andreas Vochezer bereits in der jüngsten Wangener Ratssitzung beim Thema Kiesabbau gefordert. Hinzuzufügen wäre: Auch wenn es dabei „nur“um vermeintliche Randaspekte wie Fortbildungen geht.
b.treffler@schwaebische.de