Teilhabe heißt, aufeinander aufzupassen
Bei Tagung in Haslach geht es erneut um den Begriff der Teilhabe behinderter Menschen
HASLACH - Die betroffenen Menschen, die sich zur neunten Tagung „Wie wollen wir leben?“bei der St.Jakobus-Behindertenhilfe in Haslach zusammenfanden, haben es wie schon im vergangenen Jahr deutlich gemacht: Sie wollen als selbstbestimmte Menschen ein Teil unserer Gesellschaft sein. Was bereits gut läuft und was noch umgesetzt werden muss, das wurde jetzt innerhalb von fünf unterschiedlichen Arbeitsgruppen formuliert.
Zu Beginn war es Helmut Johannes Müller, Gesamtleiter der St.-Jakobus-Behindertenhilfe, der das neue „Teilhabe-Gesetz“erklärte. Es ginge dabei nicht um den Begriff des Wohlfühlens und des Kümmerns, sondern darum, „dass Menschen mit Behinderung in ihrem Leben mehr selbst bestimmen können“. Und Müller fragte in die Runde: „Wann weiß ich, ob ich Teilhabe in Anspruch nehme?“Nach einigen Anläufen war es klar: Teilhabe ist dann, wenn ich sagen kann, dass ich dazu gehöre. Und aus allen Zuhörerreihen war ein eindeutiges „Ja, ich gehöre dazu!“zu vernehmen.
CDU-Landtagsabgeordneten Raimund Haser relativierte dieses „Ja“und sagte: „Teilhabe ist nicht, in Haslach dazuzugehören, sondern in der Gesellschaft.“Und an die Tagungsteilnehmer gewandt hielt er vor Augen: „Egal, ob Sie vorher in Ihren Familien oder in anderen Einrichtungen waren: Wir müssen es schaffen, Mauern zu durchbrechen, damit Sie auch zu allen anderen gehören!“Für Haser ist Teilhabe mehr als Barrierefreiheit und Inklusion an Schulen. Es ist der Versuch, aufeinander zuzugehen. Wobei es das Schwierigste sei, die behinderten Menschen auch wirklich zu erreichen. Der Schlüssel der Teilhabe, da war sich der Politiker sicher, sei die Achtung. Eine betroffene Frau wusste diese Vokabel wunderbar mit „aufeinander aufpassen“zu übersetzen. Wie Haser ergänzte: „Wenn ich das Gegenüber kenne, dann weiß ich auch, was ihn freut und was ihn verletzt.“
Den „Teilhabemöglichkeiten zwischen Wunsch, Recht und Wirklichkeit“wandte sich anschließend Professor Erik Weber von der Evangelischen Hochschule Darmstadt zu. Unterstützt von einer PowerpointPräsentation fügte er der Überschrift seines Vortrages noch den Bereich „Perspektive“hinzu und startete mit einer eigenen Begriffserklärung: „Bei der Teilhabe geht es um Abbau von Barrieren, von der Schaffung fördernder Faktoren in Umwelt und Gesellschaft und der Aufgabe für die Sozial-, Rehabilitations-, Behinderten- und Menschenrechts-Politik.“Hinsichtlich des Punktes „Wunsch“machte der Referent unter anderem deutlich, dass die meisten Menschen mit einer Behinderung am liebsten bei den Eltern wohnen bleiben und erst dann allein leben wollten.
Wie Weber davon sprach, dass es für die Menschen in der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes nicht nur darum ginge, „irgendwo drin zu sein“, sondern dass sie sich wohl fühlten. „Die Behinderung wird zu einem Menschenrechts-Thema“, zeigte sich der Heilpädagoge überzeugt und machte Ausführungen zur Definition der Überschrift „Wirklichkeit“, indem er sagte: „Den Menschen wird geholfen, aber sie können nicht an unserem ganz normalen Leben teilnehmen.“
Wenn man sich die Teilhabe angucke, dann müsse man sich gleichzeitig auch die Gesellschaft anschauen, sagte Weber und war bei den „Perspektiven“angelangt. Teilhabe ohne Veränderung sei schwierig, sagte er und glaubte, dass die geforderte Form der Beratung „nie unabhängig sein kann“. Vielmehr redete er einem Aktionsplan das Wort, „der für jede einzelne stationäre Einrichtung entwickelt werden muss“.
Dann ging es in die Arbeitsgruppen, wo die Tagungsteilnehmer tiefer in die Themen „Theaterspielen“, „Sprech-Werkstatt“, „Leichte Sprache“, „Zukunftsplanung und Job“sowie natürlich „Teilhabe möglich machen“einstiegen.