Zwei verlassene Seelen
Allein, allein … allein, allein. Karoline Menge schreibt in ihrem Romandebüt „Warten auf
Schnee“über eine der menschlichen Urängste. Nachdem zunächst der
Vater, dann auch die Mutter sie zurückgelassen haben, leben die 16-jährige Pauli und ihre kleine Schwester Karine allein in ihrem Elternhaus auf dem Land. Die Szenerie mutet an als wäre sie in der Uckermark angesiedelt. Es könnte sich aber auch um irgendeine andere gottverlassene Gegend handeln. Die beiden Geschwister sind verunsichert, ernähren sich von der eingekochten Marmelade im Keller, die ihre Mutter für sie auf Vorrat gekocht hat. Immer seltsamer wurde sie in den letzten Tagen, immer länger wurden ihre Spaziergänge, bis sie eines Tages von einem nicht mehr zurückkam.
„Ich sitze am Fenster, jeden Tag, und schaue und versuche, mich zu erinnern, wer sie gewesen ist“, legt Karoline Menge ihrer Ich-Erzählerin Pauli in den Mund. Erinnerungen aus der Vergangenheit, an die guten Tage mit der Mutter, wechseln mit Begebenheiten aus der Gegenwart, in der die beiden Kinder sich alleine behaupten müssen. Nicht nur ihre Eltern sind verschwunden, immer mehr Bewohner verlassen das Dorf. Wo sie hin sind? Es gibt keine Antworten auf all diese Fragen. Über allem schwebt eine bedrückende Unsicherheit. In einer klaren Sprache beschwört die 1986 in Berlin geborene Karoline Menge in ihrem Buch düstere Bilder herauf. Mitunter mutet die Geschichte an wie ein modernes Märchen. Sogar einen bösen Wolf gibt es.