Verhinderter Seemann baut Schiffe
Gerhard Hümmler haucht der „De Zeven Provinciën“Leben ein in 1800 Arbeitsstunden
KRESSBRONN - Der Kressbronner Gerhard Hümmler ist ein begeisterter Schnitzer, Maler und Bastler. Vor allem aber liebt der 79-Jährige die Geschichte der Seefahrt mit ihren historischen Schiffen, denen er mit großer Leidenschaft und Akribie in seiner Wohnung originalgetreu wieder Leben einhaucht.
„Mit dem Nachbau von Windjammern, Dampfschiffen und vielen weiteren alten Wasserfahrzeugen lebe ich meine Sehnsüchte. In 1800 Arbeitsstunden habe ich aktuell das Linien- und Flaggschiff 'De Zeven Provinciën’ vor Kurzem fertiggestellt“, sagt Hümmler im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung.
Wer Gerhard Hümmler und seine Gattin Eugenia in Kressbronn besucht, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Die Wohnung gleicht einem kleinen maritimen Museum. In mühevoller Handarbeit nachgebaute Schiffe aus längst vergangenen Epochen zeugen von einer Hingabe und Passion, die man in Worten wohl kaum beschreiben kann.
Bereits als kleiner Bub war der Sauerländer von den Weiten der See fasziniert und wollte als Heranwachsener Seemann werden. „Der Vater hatte etwas dagegen, also wurde ich Maurer“, sagt er. Mit dem Bau der ersten Schiffsmodelle begann er während seiner Dienstzeit in der Bundeswehr.
Im Laufe der Zeit hat er sein Hobby zur Perfektion gebracht, verwendet keine gekauften Fertigteile, sondern produziert alles in der kleinen Zimmerwerkstatt selbst. Dabei legt Hümmler großen Wert darauf, dass seine schwimmenden Kunstwerke nicht aus Baukästen zusammengebastelt, sondern exakt nach alten Plänen, nach Skizzen und Zeichnungen oder nach Abbildungen aus Büchern aufgebaut werden. Und genau darin liegt die große Herausforderung. Ob das Sägen von Leiten und Planken, das Anfertigen von Schnitzwerk, das Herstellen von metallischen Beschlagteilen, das Gießen von Kanonen und Ankern oder auch das Nähen und Anschlagen des Tauwerks, der aufwändigen Takelage samt der Segel: „Alles muss im entsprechenden Maßstab detailgetreu stimmen. Das ist der Anspruch, dem ich gerecht werden möchte“, betont der vielseitige und rüstige Rentner, dessen Frau die Leidenschaft mit ihrem symphatischen Seebären teilt: „Wenn Gerhard in seiner Werkstatt ist, weiß ich, dass es ihm gut geht“, sagt sie und lacht, bevor sie mit dem Staubwedel über die Planken streicht.
Vielseitig begabter Senior
Das Segeln mit all seinen Facetten übte auf Gerhard Hümmler schon immer eine Faszination aus, sagt er. Die schieren Weiten, das Spiel mit Wind und Wellen, ließen ihn mit dem Schiff und den Gedanken nach unendlicher Freiheit eins werden. Doch wer denkt, das sei alles, irrt. Denn außer der Seefahrt und den Schiffsmodellen liebt es Gerhard Hümmler, Buddelflaschen zu bauen, spielt für die Frau samt Enkelkinder auf der Zither, kurbelt an seiner selbstgebauten Drehorgel, die er übrigens mit alten Postkartenmotiven vom Bodensee liebevoll bemalt hat, oder widmet sich der Reparatur von Kuckucksuhren und anderen Gegenständen, die seine funktionale Hilfe benötigen.
Ganz nebenbei erfreut er im Duett mit seinem Gitarrenspiel die Senioren vom Altenpflegeheim St. Konrad. Erlebnisse seiner Wanderungen auf Jakobswegen, die er in mehreren Büchern niedergeschrieben hat, faszinierende Fotos an Bord des Seglers „Kruzensthern“, der norwegischen „Christian Radig“oder der „Statsraad Lehmkuhl“, zeugen von der Vielfalt der Schaffenskraft eines verhinderten Seemannes, in dessen Herzen die Liebe zur See ebenso einen festen Platz hat wie die Liebe zu seinem Schatz Eugenia, die ihm stets den Rücken an Bord im heimischen Kressbronn freihält.