Warten auf die Nachrüstung
Autohersteller erhöhen Diesel-Prämien auf 3000 Euro – Technik frühestens 2020 verfügbar
BERLIN/KÖLN (dpa) - Die deutsche Autoindustrie will nach heftiger Kritik an einem ersten Dieselpaket nachbessern und ihre Angebote für Besitzer älterer Fahrzeuge erweitern. Dazu können auch die von den Herstellern skeptisch beurteilten HardwareNachrüstungen an Motoren und Abgaseinrichtungen gehören. Das sieht ein Kompromiss vor, den Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und die deutschen Hersteller bei einem Spitzentreffen am Donnerstag in Berlin erzielten. Am selben Tag ordnete ein Gericht weitere Dieselfahrverbote an für Köln und Bonn.
Nach einem langem Ringen mit der Bundesregierung über zusätzliche Maßnahmen sagten VW, Daimler und BMW zu, ihre Angebote an betroffene Kunden aufzustocken, wie der Branchenverband VDA mitteilte. Scheuer sagte, die Hersteller hätten sich „sehr stark bewegt“. Verbraucherschützer und die Opposition übten dagegen Kritik.
Erzielt wurde ein komplexer Kompromiss: die Hersteller hatten bereits höhere Preisnachlässe auf den Weg gebracht, wenn Kunden ihre alten Diesel in Zahlung geben und einen saubereren Wagen kaufen. Diese Regelung gilt für 15 „Intensivstädte“in Deutschland, in denen SchadstoffGrenzwerte vor allem durch Dieselabgase besonders stark überschritten werden. Die „Umtauschprämien“laufen je nach Hersteller bis in die Jahre 2019 und 2020.
Diese Umtauschaktionen sollen weiter im Vordergrund stehen, so Scheuer. Nutzen aber betroffene Dieselbesitzer diese Aktionen nicht, sind weitere Maßnahmen geplant. Demnach sind Volkswagen und Daimler bereit, die dann verbliebenen älteren Dieselautos in den „Intensivstädten“für bis zu 3000 Euro pro Wagen mit Katalysatoren nachrüsten zu lassen – das sind die Hardware-Nachrüstungen. Bisher hatten VW und Daimler angeboten, 2400 Euro pro Fahrzeug zu zahlen. Die Bundesregierung hatte auf eine höhere Beteiligung gepocht. Experten schätzen die Kosten inklusive Einbau auf etwa 3000 Euro.
Bei Daimler hieß es, die Nachrüstung müsse vom Kraftfahrt-Bundesamt zertifiziert und zugelassen werden und nachweislich dazu berechtigen, in bestimmten Städten auch in Straßen mit Fahrverboten einzufahren. „Vor diesem Hintergrund ist Daimler dazu bereit, Mercedes-BenzKunden in den Schwerpunktregionen mit einem Maximalbetrag von bis zu 3000 Euro beim Kauf einer HardwareNachrüstung eines Drittanbieters zu unterstützen.“
Zeit und Kosten unklar
Volkswagen erklärte, sollten Dieselfahrzeughalter nach 2019 weiter von „Mobilitätseinschränkungen“betroffen sein, werde der Konzern Kunden ein „Mobilitätsangebot“von bis zu 3000 Euro machen. Weiter hieß es: „Sollten zukünftig Hardware-Nachrüstungen die notwendigen behördlichen Genehmigungen erhalten, verfügbar sein und der Einbau von unseren Kunden gewünscht werden, bieten die betreffenden Konzernmarken im Rahmen des Mobilitätsangebots gleichfalls eine entsprechende finanzielle Beteiligung an.“VW wolle aber die Kosten nicht komplett übernehmen. Der Konzern werde HardwareUmrüstungen ferner nicht anbieten und Fahrzeughaltern auch nicht empfehlen.
BMW lehnt Hardware-Nachrüstungen weiter ab. Das Unternehmen will Dieselbesitzer aber nach Auslaufen der „Umtauschprämien“mit der gleichen Summe von 3000 Euro unterstützen – etwa für einen Neukauf.
Bei den teuren Hardware-Nachrüstungen müssen aber noch technische und rechtliche Vorschriften entwickelt werden, weshalb diese „nicht kurzfristig am Markt verfügbar sein werden“, sagte Scheuer. Und derzeit könne niemand sagen, wie teuer eine Hardware-Nachrüstung für DieselPkw tatsächlich sein werde.
Es wird davon ausgegangen, dass Hardware-Nachrüstungen nicht vor 2020 verfügbar sind. VDA-Präsident Bernhard Mattes sagte, die drei deutschen Hersteller würden für die Zeit nach 2020 sicherstellen, dass Kunden mit Euro-5-Dieselaltfahrzeugen durch herstellerspezifische Angebote „mobil bleiben“könnten. „Dazu können auch Hardwarenachrüstungen zählen.“
Kritik an der Einigung kam von der Opposition: Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte den Kompromiss „Augenwischerei“. Scheuer und die Konzernbosse wollten den betrogenen Dieselbesitzern Neuwagen andrehen und verweigerten ihnen die Nachrüstung um weitere Jahre.
Zwei neue Fahrverbote
In vielen Städten werden SchadstoffGrenzwerte nicht eingehalten. In Hamburg gibt es schon Streckensperrungen. Gerichte hatten Fahrverbote ab 2019 zudem etwa für Stuttgart, Berlin oder Frankfurt angeordnet.
In Nordrhein-Westfalen bahnen sich nun die nächsten Fahrverbote an: Köln muss ab Frühjahr 2019 auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe hin Fahrer älterer Diesel aus dem Großteil des Stadtgebiets ausschließen, entschied das Kölner Verwaltungsgericht am Donnerstag. In Bonn sollen die Fahrverbote, die in zwei Stufen kommen, für zwei zentrale Hauptverkehrsstraßen gelten.
Urteil mit Hintertür
Das Verwaltungsgericht entschied am Donnerstag, dass die Domstadt ab April 2019 Dieselautos der Abgasklasse 4 oder schlechter aus der Innenstadt und anderen Stadtteilen ausschließen muss. Ab September sind auch Fahrer von Euro-5-Dieseln betroffen. Ein Hintertürchen gibt es aber: Sollten die in der Stadt seit Jahren sehr hohen Schadstoffwerte plötzlich deutlich sinken, könnte man nach Auffassung des Richters auf die Maßnahmen verzichten. Zugleich machte das Gericht aber deutlich, dass das Theorie sei und so schnell ohne Fahrverbote nicht passieren werde.
In Bonn fallen die Maßnahmen weniger hart aus – hier handelt es sich um Fahrverbote für zwei Straßen. Auf der für Pendler wichtigen Reuterstraße sind ab April Diesel der Klasse Euro 5 oder schlechter ausgeschlossen. Eine andere Einschränkung gilt noch für die Straße Belderberg. Vor allem Köln hatte den EU-Grenzwert für das gesundheitsschädliche Stickstoffdioxid (NO2) klar überschritten. Der zuständige Kölner Regierungsbezirk kündigte an, in Berufung zu gehen.