Überraschende Wende bei geplanter Ferienanlage
Humbrechtser lehnen Vorhaben in offenem Brief an Verwaltung und Räte ab – Leonhardts ziehen Antrag zurück
WANGEN - Die geplante Ferienanlage bei Humbrechts sorgt weiter für Gesprächsstoff, jede Menge Emotionen und ganz aktuell für eine überraschende Wendung. Nachdem es bereits Mitte Oktober im Niederwangener Ortschaftsrat mächtig Gegenwind gegen die Aufstellung eines entsprechenden Bebauungsplans gegeben hatte, haben nun auch die Einwohner des betroffenen Weilers in einem offenen Brief ihre ablehnende Haltung zu dem Vorhaben zum Ausdruck gebracht. Auch deshalb hat die Familie Leonhardt am Donnerstag ihren Antrag für das Projekt zurückgezogen.
Die Nachricht, dass die Gastronomenfamilie Leonhardt bei Humbrechts eine Freizeit- und Ferienanlage mit gut 50 Wohnmobilstellplätzen, Bewirtschaftungsgebäuden, acht Bungalows und Wellnessbereich plant, hat vor einigen Wochen bei vielen sprichwörtlich eingeschlagen wie eine Bombe. Vor allem das Ausmaß des Vorhabens auf einer Wiese am östlichen Ortsausgang des Niederwangener Weilers und dessen befürchtete Folgen für Verkehr, Land(wirt)schaft und die benachbarte Siedlung selbst hatten am 16. Oktober den Ortschaftsrat dazu veranlasst, den von der Stadt beabsichtigten Bebauungsplan „Wohnmobilstellplätze Humbrechts“mit deutlicher Mehrheit abzulehnen (die SZ berichtete).
Seitdem sorgt das Thema nicht nur für Gesprächsstoff bei den Bürgern, sondern auch für Betriebsamkeit hinter den Kulissen. Nach der Ankündigung von OB Michael Lang bei der Bürgerversammlung zwei Tage später, eine „wohlwollende Vermittlerrolle“übernehmen zu wollen, gab es vergangenen Montag im Wangener Rathaus ein Gespräch zwischen dem Verwaltungschef und den stimmberechtigten Niederwangener Räten. Über die Inhalte sei Stillschweigen vereinbart worden, sagt Rat Rainer Herget, der in der Ratssitzung am ausführlichsten die geplante Ferienanlage kritisiert hatte. Nur so viel: „Der Ortschaftsrat hat sich klar geäußert, wir müssen jetzt abwarten, was kommt.“
OB Lang vermittelt
Tagsdrauf, am Dienstag, folgte OBVermittlung, Teil zwei: ein Treffen im Niederwangener Rathaus mit gut 40 Einwohnern aus Humbrechts und umliegenden Gehöften. Den durchgängigen Grundtenor der Teilnehmer beschreibt Manfred Hasel so: „Alle Anwesenden waren Projektgegner und sind total gegen die Pläne.“Der Ortschaftsrat, der als Nachbar Leonhardts befangen und damit nicht stimmberechtigt ist, kündigte bereits an diesem Abend einen offenen Brief der Humbrechtser an Verwaltung und Ratsfraktionen an. In dem Schreiben, das auch an die „Schwäbische Zeitung“ging, begründen die Einwohner des Weilers ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Projekt.
„Keine Bebauung im Außenbereich“
Abgesehen vom Umstand, dass sie erst durch einen SZ-Bericht vom Umfang des Vorhabens informiert worden seien, akzeptieren die Unterzeichner in dem Brief nicht, „dass im Außenbereich von Humbrechts, im regionalen Grünzug, auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche eine Bebauung stattfindet“. Zumal das Regierungspräsidium das Projekt als „bedenklich, teilweise ablehnend eingestuft“habe. Außerdem verändere der vorliegende Plan das bislang prägende Landschaftsbild in erheblichem Maße, weil „die vorhandene Geländeform umfangreiche Erdbewegungen und Mauerverbauungen“bedinge. Besonders der Bau von acht Ferienhäusern sei nicht hinnehmbar: „Hier wird einer künftigen Bebauung im Außenbereich Tür und Tor geöffnet.“
Zudem seien die Straßen nach Humbrechts für den zu erwartenden Verkehr nicht ausgelegt. Erhebliche Nachteile befürchten die Humbrechtser in dem Schreiben auch für die Landwirtschaft, Streitigkeiten zwischen Landwirten und Wohnmobilisten seien vorhersehbar. Weiter sei der Standort für einen Wohnmobilstellplatz auch deshalb nicht geeignet, „da er über drei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt“: „Wir glauben nicht, dass zusätzliche Kaufkraft in Wangen bei den Gewerbetreibenden ankommt. Wir sehen den Vorteil der Lage nur beim Antragsteller“, so die Unterzeichner, die deshalb einen Standort in Stadtrandlage in ebenem Gelände favorisieren.
Vor dem Hintergrund, dass ein Dorf mit rund 20 Einwohnern keine Freizeitanlage mit bis zu 180 Personen vertrage, wollen die Verfasser am Ende des Briefs „mit aller Klarheit und Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, dass sämtliche Bewohner der Ortschaft Humbrechts entschieden gegen das Vorhaben votieren. Als Anwohner sind wir nicht bereit, die ausschließlich negativen Konsequenzen des Vorhabens hinzunehmen“.
„Druck aus dem Kessel nehmen“
Es sei zuletzt deutlich geworden, dass das Thema die Menschen bewegt, sagt OB Michael Lang. Und räumt ein, die Brisanz des Vorhabens womöglich unterschätzt zu haben. „Es gilt jetzt zuerst zu schauen, wie eine Lösung aussehen kann, die vom Dorf mitgetragen wird.“Außer Frage steht für den Wangener Rathauschef, dass man die Meinung des Ortschaftsrats achten werde. Niederwangens Ortsvorsteher Berthold Riether, der sich am 16. Oktober in der Abstimmung enthalten hatte, sieht nach dem Ratsbeschluss nun andere am Zug: „Verwaltungstechnisch ist das für uns mit der Sitzung zunächst abgearbeitet, nun obliegt es dem Antragsteller, wie er das Ergebnis bewertet.“Nachdem sich bereits der Ortschaftsrat „offen für Alternativen“gezeigt hatte, sagt dazu auch Manfred Hasel: „Der Antragsteller ist gefordert, nun mit einem neuen Vorschlag zu kommen.“
Der Angesprochene, Hans-Jörg Leonhardt, zog nach Gesprächen mit den Nachbarn und der Verwaltung am Donnerstag die Konsequenz. „Meine Familie und ich haben beschlossen, den Antrag zurückzuziehen, damit Druck aus dem Kessel kommt“, sagte der Niederwangener Ortschaftsrat und Wangener Stadtrat auf SZ-Anfrage. Und: „Wir sind bereit, dass die Familie in eine Diskussion einsteigt. Da werde ich mich aber künftig rausnehmen.“Ein Informationsdefizit mancher Beteiligter könne er nachvollziehen und vielleicht sei die Marschrichtung nicht die richtige gewesen, so Leonhardt. Aber: „Wir wollten immer miteinander etwas für die Region tun. Ich habe mich dabei hundertprozentig an die Regeln gehalten, immer in Absprache mit der Verwaltung. Das wird mir jetzt zum Verhängnis.“
Den offenen Brief der Einwohner von Humbrechts kann man in voller Länge nachlesen unter www.schwaebische.de/ ferienanlage-wangen