19-Jährige reist mit dem Fahrrad durch Europa
Lea Widler aus Gebrazhofen legt 6000 Kilometer zurück – Pyrenäen-Tour als Highlight
LEUTKIRCH - Rund sechs Wochen lang ist Lea Widler aus Gebrazhofen mit dem Fahrrad quer durch Europa gereist. Etwa 6000 Kilometer hat die 19-Jährige mit ihrem mindestens neun Jahre alten Trekkingbike zurückgelegt. Immer mit dabei: 40 Kilogramm Gepäck. Zur Tour gehörte auch eine Überquerung der Pyrenäen. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“berichtet die junge Triathletin von ihren Erlebnissen – zu denen auch eine Begegnung mit einem Wolf zählt.
„Mit dem Rad reisen heißt frei und unabhängig sein“, stellt Lea Widler klar. Um dieses Gefühl und andere „richtige geile Momente“zu erleben, startet sie im Juli – zunächst gemeinsam mit einer Freundin aus Kißlegg – ihr großes Abenteuer. Los geht’s zunächst mit dem Bus nach Belgien an den Ärmelkanal. Diesem folgen die frischgebackenen Abiturientinnen auf dem Fahrrad entlang der französischen Nordküste, ehe es mit einer Fähre nach Irland geht. Dort erkunden sie die „spannendsten Ecken“des Landes. „Aber irgendwann war es mir in Irland zu kalt und zu nass“, sagt Widler rückblickend. Da ihre Freundin lieber im Norden bleiben will, beschließen die Abenteurer kurzerhand, die Reise getrennt voneinander fortzusetzen.
Also fährt die Gebrazhoferin spontan mit ihrem „normalen“Trekkingfahrrad – „es hat halt zwei Räder mit dünnen Reifen“, meint Widler schmunzelnd – an der Atlantikküste entlang bis zur spanischen Grenze. Dort kehrt sie dem Ozean den Rücken und biegt in die Pyrenäen ein. Bei der Überquerung der Bergkette in sieben Tagen folgt sie einem bestimmten Kurs: Diesen hatte die 19Jährige offenbar festgelegt, indem sie auf ihrer Landkarte mit einem Stift einen Strich durch die Gebirgslandschaft zog. „Das war schon ein Kindheitstraum von mir, einmal mit dem Fahrrad die Pyrenäen zu durchqueren.“
Anfeuerung auf französisch
Unter anderem die schöne Landschaft habe sie beim Bewältigen von einigen hohen Gebirgspässen beeindruckt. Einige andere erfahrene Rennradfahrer hätten es dort kaum glauben können, dass eine 19-Jährige mit 40 Kilogramm Gepäck etwa auf den Col du Tourmalet fahren kann. „Auf dem Weg hinauf haben mich viele andere Radler angefeuert – aber verstanden habe ich davon nicht viel, ich kann kein französisch“, erzählt Widler. Bei der sportlichen Herausforderung kommt der Gebrazhoferin zugute, dass sie seit einiger Zeit in Wangen regelmäßig Triathlon betreibt und auch an Marathonläufen teilnimmt. Von Muskelkater oder anderen körperlichen Einschränkungen sei nicht nicht geplagt worden – trotz 200 Kilometern auf dem Fahrrad, die sie an vielen Tagen zurücklegt. Hinzu kommen teilweise hohe Temperaturen.
Wenn der Abend näherrückt, stellt die künftige Studentin ihr Zelt auf. Häufig in der freien Wildnis, manchmal auch auf Campingplätzen oder auf Privatgrundstücken – sofern die Eigentümer einverstanden sind. Bei einer Übernachtung im Wald sei sie gar einem Wolf ganz nahe gekommen. Dieser habe mit seinen Pfoten „gegen die Zeltwand gehauen“. Nach draußen sei Widler dann trotz eines Küchenmesser neben dem Schlafplatz lieber nicht gegangen. Am nächsten Morgen habe sie an dieser Stelle weiß-graue Haare entdeckt. Bei einem Einkauf am folgenden Morgen in der nächstgelegenen Ortschaft erreicht sie die Nachricht, dass nur einige Meter entfernt vom Zeltplatz Schafe von einem Wolf gerissen worden seien.
Ein „unbeschreibliches Gefühl“
Von den großen Städten und touristischen Sehenswürdigkeiten hält sich Widler eher fern. Lieber genießt sie die Landschaft und macht auch mehrfach am Strand Pause, um sich in die Wellen zu stürzen. Nicht nur die Wellen des Atlantischen Ozeans, sondern auch die des Mittelmeers, das Widler im Anschluss an die Pyrenäen-Tour erreicht. Ein „unbeschreibliches Gefühl“sei es gewesen, mit eigener Kraft in nur sieben Tagen vom Ozean ans Mittelmeer zu gelangen. Es zeige, dass man unabhängig vom Auto etwas erreichen kann. Vor Freude darüber habe sie am Strand einen kräftigen „Jubelschrei losgelassen“. Im Anschluss daran ging es von Marseille mit dem Bus zurück in die Heimat.
Um der Einsamkeit entgegenzuwirken, sei sie einfach auf Leute – vor allem andere Fahrradfahrer – zugegangen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Einige Freundschaften sind laut Widler dadurch entstanden. So sei sie tageweise in Gesellschaft unterwegs gewesen. Jedoch nie über einen längeren Zeitraum. „Die Fahrradfahrer ticken ungefähr gleich“, sagt die Gebrazhoferin. Deshalb habe man immer schnell ein Gesprächsthema gefunden. Den Kontakt zu Freunden und Familie hält sie via Handy, das sie über eine Solarzelle an ihrem Gepäckträger auflädt.
Die letzten 200 Kilometer ihrer Reise werden indes von Pannen überschattet. „Da hatte ich zwei Platten“, sagt die 19-Jährige. Das habe auch daran gelegen, dass ihre Reifen nach der langen Fahrt in einem schlechten Zustand waren. „Ich hatte dann richtig Zeitdruck, weil in einigen Stunden mein Bus in Marseille abfuhr. Und ich war noch viele Kilometer entfernt.“Geholfen habe ihr schließlich „ein französischer Opi mit einem alten Opel“, der sie ein Stück mit dem Auto mitgenommen hat. Die Verständigung funktionierte lediglich über „Google-Translator“. „Wegen ihm lerne ich jetzt aber französisch“, meint Widler schmunzelnd.