„Die Leute fühlen sich nicht ernst genommen“
Kommunalpolitiker kritisieren Parteispitze und fordern Aufarbeitung der Landtagswahl
OBERALLGÄU - Kein „Weiter so“sondern eine schonungslose Aufarbeitung, was bei der Landtagswahl schiefgelaufen ist – Das forderten CSU-Kommunalpolitiker aus dem Ober- und Westallgäu bei einer Veranstaltung in Immenstadt. „Wir wollen ergründen, wie es zu diesem für die CSU sehr unerfreulichen Ergebnis kam“, sagte der Wiggensbacher Bürgermeister Thomas Eigstler, Oberallgäuer Vorsitzender der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) der CSU. „Wir werden das unten an der Basis knallhart und schonungslos analysieren. Ich bin mir nicht sicher, ob das an der Spitze auch passiert.“Und um gleich mit der Aufarbeitung zu beginnen, hatte er mit seinem KPV-Kollegen Walter Matzner vom Kreisverband Lindau und Renate Specht von der HannsSeidel-Stiftung, den Politikwissenschaftler Gerhard Hirscher eingeladen, um das Ergebnis der Landtagswahl zu analysieren.
Der Wahlforscher aus Augsburg lieferte Ansätze, wie die CSU wieder mehr Wähler gewinnen kann. „Langfristig ist es wichtig, in den jüngeren Jahrgängen zu punkten.“Auch bei Frauen und bei Menschen mit Migrationshintergrund müsse man stärker werden. Er machte aber auch klar, wo es für die CSU nichts zu holen gibt. „Der Versuch, mit der AfD zu konkurrieren, ist ein Irrweg. Sie ist eine reine Protestpartei“, sagte Hirscher. „Als Volkspartei muss man die Wähler in der Mitte holen.“Der Zuzug aus anderen Bundesländern nach Bayern sei nicht der Grund für das Wahlergebnis. Diese Menschen setzten überdurchschnittlich häufig ihr Kreuz bei der CSU. Bei der Diskussion übten die Kommunalpolitiker deutliche Kritik an der Parteiführung. „Die Grünen haben die Zukunftsthemen besetzt, die die jungen Leute beschäftigen“, sagte Eigstler. Er nannte als Beispiele Umwelt, Schutz unserer Ressourcen, regenerative Energien. „Da sehe ich bei uns in der Partei Defizite. Wir haben die Energiewende abgewürgt in Bayern.“Kreisvorstandsmitglied Traudl Anwander kritisierte die „10-H-Regel“über den Abstand von Windrädern zu Wohnflächen. „Mit dieser Regelung haben wir das Energiethema aus der Hand gegeben.“Wahlforscher Hirscher erklärte, dass die Grünen auch mit dem Thema Flächenverbrauch viele Wähler aus dem konservativen Lager gewonnen hätten. „Wir brauchen uns nicht vormachen, das Volksbegehren wäre durchgegangen“, sagte Eigstler. „So denken die Leute.“
„Die Menschen ärgert, dass man Themen wie den Dieselskandal nicht angeht“, kritisierte Lindenbergs Bürgermeister Eric Ballerstedt. Zudem sei der Streit an der Parteispitze kontraproduktiv gewesen. „Das letzte halbe Jahr war fatal, weil man demonstriert hat, dass es nur um irgendwelche Egos geht.“Bianca Meyer, Ortsvorsitzende in Balderschwang, kritisierte den Umgang mit dem Thema Glyphosat. „Das war auch ein großes Thema bei jungen Frauen. Die Leute fühlen sich von der CSU nicht ernst genommen.“
Es gab aber nicht nur Selbstkritik: Auch den Wahlkampfstil der Grünen („Haben den Menschen Angst gemacht“) und die Medien („nicht objektiv berichtet“) nahmen die CSUPolitiker aufs Korn. Oberstaufens Ortsvorsitzende Kathrin Koch widersprach. „Wir müssen den Blick auf uns selbst richten und nicht die Schuld bei anderen suchen.“